1861 - Bildewerkstatt


1861

1857 veröffentlichten Jan Daniel Georgens und Jeanne Marie von Gayette (seine spätere Frau) die Publikation "Bildewerkstatt für die Jugend", in dem in eigenem Duktus die Fröbelschen Spielgaben und Beschäftigungsspiele erläutert werden. 1861 folgte ein zweites Heft, das über einen Abschnitt "Das Bauen" verfügt.


Neunter Überkreis.

Das Bauen.

Jedes Kind will bauen, gleichviel mit welchem Material. In der Stube, im Zimmer setzt es Stühle und Tische an- und übereinander, hängt ein Betttuch oder den Shawl darüber und hat ein Zelt, eine Kajüte, eine Hütte, in denen sich‘s köstlich wohnen lässt. Im Hofe, im Garten, auf freien Plätzen trägt es Steine, Erde, Holzstückchen, Tonklumpen oder auch Schnee zusammen und baut Männer, Berge, Höhlen, Grotten und an diese Bauwerke und die Orte, an denen sie sich befinden, schließt sich das kindliche Spiel. Den Kindern bei dieser Bauneigung mit einem fertigen Baukasten zu Hülfe zu kommen, bei dem jedes Steinchen nummeriert ist, damit die Kinder ganz genau wissen, wie die Stückchen zusammenpassen, hieße grade zu, ihre Lust am Bauen zerstören, denn mit dem Bauen ist zugleich ein Erfinden verbunden, zunächst das Entdecken eines Baustoffes, dann einer Bauform, der sich dieser Stoff fügt. Die Phantasie des Kindes kommt dabei der Mangelhaftigkeit des Stoffes zu Hilfe. Ein Schneemann ist auch ohne Arme und Füße ein ganz anständiger Mann und ein Haus braucht weder Fenster noch Türen zu haben und wird doch vollständig den Ansprüchen, den die kleinen Baumeister an ein Haus erheben, Genüge leisten. Es ist eben das Selbstgebaute, Selbsterdachte und Selbstentdeckte, was den Bauwerken ihren großen Zauber gibt. Das im Voraus Berechnete, mathematisch Zusammengefügte ist tot für das Kind, weil es seine Schöpferlust unbefriedigt lässt.

Das abenteuerlichste, das kurioseste und seltsamste Bauwerk ist dem Kinde das Liebste. Nach einem Zwecke fragt es dabei nicht und das Kind erscheint so wieder in seiner Baulust und seiner Bautätigkeit als der nachgeborene nächste Verwandte jener Urvölker, welche Steine auf Steine und Massen auf Massen häuften ohne Sinn und Bestimmung, die nur Lust am Ausrichten und Vergrößern, am Zusammenstellen hatten. Von der ersten ägyptischen Pyramide bis zu einem italienischen Landhause, wie es die heutigen Baumeister aufrichten, ist ein weiter, weiter Weg, der mit allen Arten von Bauwerken bedeckt ist und wollten wir diesen weiten Weg durchwandern, so könnten wir in den Übergängen einer Bauart zur andern wahrnehmen, wie die Entwickelungsgeschichte der Völker sich daran betätigt, wie aus den rohen, plumpen Unformen sich immer herrlichere, edlere, reinere Kunstformen herausgestalteten und der rohe Stoff immer klarer und fügsamer, gefälliger und verständlicher unter der Hand der Arbeitenden wurde.

So geht es auch auf dem Wege des kindlichen Bauens. Je klarer die Vorstellungen im Kinde werden, desto bestimmter und deutlicher will es auch das, was es sich vorstellt, äußerlich wiedergeben. Der bloße Klumpen einer Masse, der ihm früher schon genügte, eine Kirche oder ein Schulhaus vorzustellen, wird nach und nach durchknetet, verarbeitet und durchsichtig gemacht. Die freudige Genügsamkeit, mit welcher das kleine Kind auf eine solche ungeschickte Masse zeigt, und irgendeinen Gegenstand nennt, in der festen Zuversicht, ein Jeder müsse dasselbe darin sehen, wie es selber, will dem größeren und geschickteren nicht mehr ausreichen. Es zerlegt sich seine große Masse in kleinere Teile und beginnt zusammenzusetzen, über-, aus- und ineinander zu stapeln, und wenn der Bau nur vorläufig hält und nicht einstürzt, so ist schon ein großer Fortschritt gemacht; hängen die Türme dabei auch schief, und sind die Tore zu den Fenstern von ganz unverhältnismäßiger Enge, was hat es zu bedeuten? Der Bau ist doch gelungen, denn man kann zur Not erkennen, was das ineinander- und übereinandergestellte Material bedeuten soll.

An diese Fortschrittsstufe schließt sich eine dritte, auf welcher sich das Bedürfnis nach Regelmäßigkeit mit symmetrischer Einheit geltend zu machen beginnt. Der Baustoff muss ein gleichmäßiger sein, der sich gut zusammenpassen lässt, welcher der Sehnsucht nach schönen Formen nicht widerstrebt, sie aber auch nicht von selbst schon gibt. Auf dieser Stufe tritt schon Gesetzlichkeit in ihr Recht, und kann auch nicht jedes Bauwerk, welches symmetrisch zusammengestellt ist, mit etwas aus der Wirklichkeit verglichen werden, so kommen doch schon ganz bestimmte Formen zur Erscheinung, an denen auch andere außer den kleinen Baumeistern selbst ihre Freude haben.

Das Kind strebt auf dieser Stufe nach etwas Bestimmtem, nach einem Ordnungsgesetz in seinen Bauten, weiß sich selber aber noch nicht zu Helfen und dankt es den Herzutretenden, die gern an seiner Beschäftigung Teil nehmen, wenn sie durch Versetzung einzelner Steine es auf einen neuen Weg führen. So lange aber dieses Helfen nur ein beiläufiges Einmischen ist, bringt es noch nicht den befriedigenden Ernst in die Sache, nach welchem das Kind nun Verlangen trägt und der Schule ist es endlich Vorbehalten, sich des ratlosen kleinen Bauschülers anzunehmen und ihm die Möglichkeit zu geben, aus einer bestimmten Anzahl von Steinen so und so viel neue Formen zu schaffen, von denen jede einzelne eine Benennung erhalten kann, durch welche das Baustück in die Bauübungen eingereiht werden kann.

Von der ungezählten Menge von Bausteinen, die nach freiem Belieben, wie es der Augenblick der Phantasie eingibt, zusammengesetzt werden, geht der kleine Bauschüler allmählich zu einer bestimmten Zahl und auch zu einer bestimmten Form von Bausteinen über. Die Backstein- oder Ziegelform ist den Kindern die handlichste und angenehmste; sie wissen mehr damit anzufangen, als mit den Würfelklötzchen, aber beide Bauklötzchenformen geben den Kindern Stoff zu den mannigfaltigsten Abwechslungen in ihren Bauschöpfungen.

Unser Überkreis darf ein solches Bauen mit den bekannten Klötzchenformen als vielgeübt in jeder Familie voraussetzen, und sich darum mit seinen Bauübungen an jene Vorarbeit sicher anschließen.

In die Zusammenstellungen kommt Leben durch das Gesetz. Erst heißt es die zwei Bausteinformen, die wir angenommen: die Backstein- und die Würfelform mit einander in Verbindung zu bringen. Die Backsteine haben die doppelte Länge und halbe Höhe des Würfelklötzchens. Von beiden ist eine bestimmte Anzahl festzuhalten, von den ersteren vierzehn, von den Würfeln dreizehn, die zusammen in die mannigfachsten Kombinationen treten können.

Zuerst sehen wir die Bauklötzchen, wie sie zu einem großen Würfel zusammengefügt im Baukasten liegen. Zwei übereinandergelegte Backsteine nehmen denselben Raum ein, wie zwei nebeneinander gestellte Würfel.

Bei Nr. 2. und 3. sind die beiden Bauklötzchenformen gesondert, hier zur Linken liegen vierzehn Backsteinformen neben- und übereinander, eine Wand bildend. Aus der andern Seite dreizehn Würfel in gleicher Zusammenstellung, nur ist die aus Würfeln zusammengesetzte Mauer halb so breit, weil sie noch einmal so dick ist, sie nimmt deshalb doch so viel Raum ein, wie die aus Backsteinen gebildete Wand in Nr. 2.

Nachdem wir die einfachen Wände von halber und ganzer Dicke mit jeder Bausteinform allein aufgeführt haben, nehmen wir beide zusammen und sehen, was sich daraus Neues ergibt.

Zuerst steht in Nr. 4. die Seitenwand eines Hauses mit drei Fensteröffnungen vor uns.

Nr. 5. ist ein Brückengang; Nr. 6. eine Wallwand; Nr. 7. ein Tor; Nr. 8. ein Haus- oder Kirchengiebel; Nr. 9. ein Wegweiser auf einer Anhöhe; 10. ein Haupteingang mit zwei Seitentüren; 11. eine Vorhalle.

Bei allen diesen Formen findet die gleiche Anzahl von Steinen ihre Anwendung und es ist eben die Ausgabe des kleinen Bauschülers mit nicht mehr und nicht weniger als den 13 Würfel- und 14 Backsteinklötzchen eine bestimmte Form auszuführen.

Die elf Formen, welche unsere Tafel zeigt, erschöpfen noch nicht den Reichtum von Formen, die sich aus beiden Arten von Bauklötzchen zusammenfügen lassen. Wir haben hier nur die Vorderseite einiger Bauten aufgeführt. Dem Bauschüler wird es aber Aufgabe sein, mehrseitige Bauwerke hinzustellen und auch auf die Ecken zu achten, dass diese sich wohl in einander fügen.

Auf der zweiten Tafel finden sich unsere Würfelklötzchen in der Mitte durchgeschnitten, also in doppelter Anzahl wie auf der ersten und dadurch verändern sich auch die Bauformen.
In Nr. 1. sind wieder sämtliche Bauklötzchen zu einem Würfel zusammengestellt und bei 2. und 3. sind sie gesondert zu Wänden aufgerichtet. 4. ist wieder ein Giebel; 5. eine Walhalla; 6. Eine Halle mit durchbrochenem Giebel; 7. eine durchbrochene Gartenmauer; 8. ein Friedhofeingang mit einem Glockentürmchen und Nr. 9 ein Stadttor.

Ebenso wie bei der ersten Tafel noch eine Menge anderer Formen unter derselben Bauklötzchenform zulässig blieben, so auch bei der zweiten, die nur wieder einige Bauproben bringt und zwar abermals nur von Vorderansichten.

Unseren kleinen Bauschülern bleibt es nun noch außerdem überlassen, sich die Steine auf ihre Weise und nach ihrem Baubedürfnis zu spalten. Die nächste Teilung verlegt die Backsteine der Länge nach in zwei Hälften und der Bauschüler hat damit vierkantige Säulchen von doppelter Höhe und halber Breite des Würfels: mit diesen Säulchen und den halben Würfelplättchen beginnt nunmehr ein neues vergleichendes Bauen.

Durch die schräge Teilung des Würfels kommt eine neue Verwandlung in die Bauformen. Bei dem Versuche, den Würfel zu teilen, kommen die Bauschüler leicht darauf, diesen noch von Kante zu Kante zu teilen. Durch diese Schrägteilung gewinnen wir eine ganz neue Art von Bausteinformen und auch eine verschiedene Anzahl zur Verwendung.



Zur Erinnerung.

Die Baukunst ist diejenige von den Künsten, welche am meisten für den Ausdruck der Dankbarkeit, der Erinnerung, der Würdigung angewendet wird. Wir wollen einmal ganz von allem demjenigen abgehen, was der Baumeister zum Nutzen und Schutze der Menschen und Tiere aufrichtet und an die Bauten denken, die der Ehre, der Verehrung, dem Ruhme und der Erinnerung geweiht werden und sind.

Die meisten Denkmäler der Erinnerung finden wir auf den Friedhöfen: aufgerichtete Steine, Kreuze, Gestalten aus Stein, die auf Postamenten stehen, Urnen und fast alle diese Bauwerke der Erinnerung sind mit Sprüchen belebt, welche an die Toten und ihr Leben und Wirken in den Familien und unter den Menschen mahnen.

Dort knien zwei Kinder an dem Grabe der Mutter und die schöne weiße Marmorgestalt, welche in ihrem weißen steinernen Kleide auf einer Steintreppe ruht, den Kopf in die Hand gestützt und das Auge nach oben gerichtet, erinnert die Kinder an die geliebte Mutter selbst.

Dort steht ein einfaches Kreuz, ein Blumenkranz ist darum geschlungen und die drei Worte: „Denke an mich!" sind in erhabenen Buchstaben auf dem Kreuze zu lesen. „Denke an mich!" so sprach der Vater oft zu den Kindern, wenn sie von ihm gingen oder er sich von ihnen trennte und der Gedanke an den Vater begleitete sie überall, bis er endlich ganz von ihnen geschieden war. Aber nun betrachten sie gern das Kreuz, das seiner Erinnerung aufgerichtet ist, denn es ist ihnen, als ob es mit der väterlichen Stimme zu ihnen redete.

Die Denkmale der Erinnerung, welche die Baukunst ausführt, finden sich aber nicht nur auf den Friedhöfen, wo Eltern, Kinder, Freunde den Verstorbenen zum Angedenken die Steine aufrichten lassen, sie finden sich auch auf großen Plätzen, in Städten, Gärten und an andern Stätten, die für das Ausrichten von Säulen und Bildsäulen, von Obelisken, Pyramiden, Tempeln etc. den geeigneten Raum bieten.

In vielen Städten hat man zur Erinnerung an eine überstandene Gefahr Baudenkmale aufgeführt. In Wien steht z.B. auf einem der Märkte eine Säule mit Engelsköpfen, welche die Pestsäule heißt, zur Erinnerung an die Zeit, in welcher die schwere Krankheit den Ort verlassen hat. In Venedig ist zur Erinnerung an das Verschwinden der Pestkrankheit eine große herrliche Kirche, die Maria salute aufgerichtet. In Berlin steht ein Denkmal zur Erinnerung an die überstandene Cholera.

Solche Erinnerungsdenkmäler finden wir fast an allen Orten, wenn auch viele noch aus einer früheren Zeit stammen. Friedrich der Große ließ in Potsdam nach dem beendigten siebenjährigen Kriege, den dieser König von Preußen geführt hatte, ein großes Schloss, das neue Palais aufführen. Er wollte seinem Volke damit zeigen, dass der Krieg nicht alles Geld aus seiner Kasse genommen, denn das Palais ist eines der prachtvollsten Bauwerke, von denen, die in dem Preußenlande stehen.

Die Gestalten, die Bildsäulen von Kaisern, Königen und Helden, die sich in den Kriegen auszeichneten, sehen wir auch an öffentlichen Orten zur Erinnerung aufgerichtet. Jede große Stadt hat ihre besonderen großen Männer, denen sie durch Ehrendenkmäler eine Erinnerung zollt. In Paris steht Kaiser Napoleon, in Petersburg Peter der Große, in Berlin der Alte Fritz, in Wien Kaiser Joseph, in Dresden König August von Sachsen, und so oft die Menschen an den Denkmalen vorübergehen, an denen Baumeister und Bildhauer ihre Kunst zeigten, erinnern sie sich der Männer, die so viel Großes vollbracht haben und für ihr Land noch aus lange Zeit nach ihrem Tode Wohltäter sind.

Wie die Könige, Kaiser und Helden, erhalten auch die großen Dichter und Gelehrten ihre Ehrendenkmäler. Wenn wir in der Stadt Frankfurt über den großen Rossmarkt gehen, so sehen wir in der Mitte desselben ein herrliches Erinnerungsdenkmal errichtet, das den großen Dichter Goethe darstellt, der in dieser Stadt geboren war und der so viel Großes und Schönes gedichtet hat; unter seinen vielen Liedern ist ja auch das bekannte: Rösleiu auf der Heide, das wir oft gesungen.

König Ludwig von Bayern ist auf den Gedanken gekommen, ein großes Gebäude aufführen zu lassen, in welchem er die Brustbilder und Bildsäulen der berühmtesten Männer des deutschen Vaterlandes vereinigen wollte. Der König hat dieses Bauwerk auf einem Berge aufführen lassen und ihm den Namen Walhalla gegeben. Die Vorderseite dieses Gebäudes hat viel Ähnlichkeit mit dem Bauwerk Nr. 5. auf unserer zweiten Tafel. Die Walhalla ist das berühmteste Gebäude, das in Deutschland zur Erinnerung aufgeführt worden ist.

Schon die allerältesten Völker hatten die Sitte, Erinnerungsbauten aufzurichten; ihre Bauwerke bestanden Anfangs hauptsächlich darin, ungeheure Massen über einander zu häufen. Zu den ältesten und größten Bauten gehören die Pyramiden, welche die Ägypter ihren toten Königen zur Erinnerung aufrichteten. In diese Pyramiden, die inwendig große weite Räume hatten, brachten die Ägypter die Leichen ihrer Könige. Die Pyramiden waren die Paläste der Toten.

Aus der uralten Geschichte wissen wir, dass die Königin Artemisia, welche ihrem verstorbenen Gemahl, dem König Mausolus von fünf geschickten Baumeistern und Bildhauern aus Griechenland ein Grabdenkmal aufrichten ließ. Dieses prächtige Denkmal zur Erinnerung an den toten König hatte sechs und dreißig mit Bildern geschmückte Säulen rings im Kreise um sich her stehen. Noch heute nennen wir ein prächtig aufgeführtes Grabdenkmal, das zu einer Totengruft führt, ein Mausoleum.

Ein anderes altes Volk, die Etrusker bauten solche Grabdenkmäler in Treppenformen.

Der Turm zu Babel, bei welchem die Bauleute sich zuletzt nicht mehr verstanden, war zu Ehren des Gottes Baal aufgerichtet. Auf seiner obersten Platte hatte man für den Gott ein Ruhebett und einen Tisch hingestellt.

Auch die Chinesen bauen ihren Göttern viele Tempel, die sie meistens mit bunten Porzellanplatten belegen. Den Dächern geben sie einen goldigen Firnis.

Einfacher waren die Denk- und Grabmäler, welche die alten Deutschen bauten, die nur aus einfach aufgerichteten vier- eckigen Steinplatten bestanden, die sie hierauf mit Erde bedeckten, dass sie Bergen glichen. Dieses Volk baute auch viele Altäre, auf denen es seinen Göttern opferte. Gewöhnlich stellte es diese Bauwerke in Wälder unter alte ehrwürdige Bäume.

Die alten Mexikaner richteten solche Altäre empor, bei denen sie immer einen kleineren auf den andern größeren setzten. Dadurch entstanden die riesengroßen Gotteshäuser, zu welchen der Tempel Megitli gehörte, den eine so weite Mauer umgab, dass 500 Häuser innerhalb des Raumes, den sie umschloss, stehen konnten. Die Bauwerke, bei denen immer ein kleinerer Block auf einem größeren ruht, heißen Terrassenbauten.

Wir haben nun gesehen, dass zu allen Zeiten die Baukunst es war, welche den Menschen Gelegenheit gab, entweder zur Erinnerung an Ereignisse oder an die Toten und an berühmte Menschen Denkmäler aufzuführen, und dass sehr viele von ihnen so stark und fest und gut aufgeführt waren, dass sie tausende von Jahren überdauerten.

Wir wollen es uns nun zur Aufgabe machen, auf unseren Tafeln die Bauwerke herauszusuchen, welche besonders der Erinnerung geweiht sein können und was wir von ihnen zu erzählen wissen, in kleine Geschichten bringen. Wer weiß etwas von einem Kreuz, einem Giebel, einer Seitenwand, oder einem Brückengange? Keiner von uns wird hier eine Antwort schuldig bleiben, nachdem wir uns ja so viel mit den Bauwerken aller Art bekannt gemacht haben.

Nehmen wir den Wegweiser auf der Anhöhe: der Wanderer ist bereits einen langen weiten Weg geschritten. Nirgends will sich ein Mensch zeigen, den er nach dem Wege fragen kann. Kein Häuschen liegt in der Nähe, er sieht sich traurig um und geht dann wieder ein Stück vorwärts, ungewiss, ob der Weg, den er eingeschlagen, auch der rechte sei. Endlich erblickt er in der Ferne auf einer Erhöhung einen Pfahl mit zwei Armen, dieser Pfahl ist ihm eben so lieb, wie ein Mensch mit seiner Sprache, denn der Mensch, dem er begegnet, kann ebenso fremd in der Gegend sein, als er selber, oder eine fremde Sprache sprechen, die er nicht versteht. Der Wegweiser aber sagt ihm ganz genau, wohin er seine Schritte richten müsse. Er ist ihm ein lieber Freund in der Not, er hat ihn nicht getäuscht und kann ihn nicht falsch berichten.

Wer kann mir nun etwas Ähnliches von dem großen Tor mit den beiden Nebeneingängen, oder dem Giebel berichten?


Volkssprüche.
An einem Bauernhaus:
Wo Gott nicht gibt zum Haus sein Gunst,
Da ist doch unser Bau'n umsunst.

Wir bauen hier so feste
Und sind doch fremde Gäste;
Wo wir sollen ewig sein,
Bauen wir so wenig ein.

Wat frag ick nach de lü!
Gott helpet mü!

Über einer Hausthür:
Ob's aber auch gibt der Neider gar viel,
So geschieht doch Alles wie Gott will.

An einem Stadthaus:
Wer da bauet an Markt und Straßen,
Muss Neider und Narren reden lassen.

Was stehet ihr für diesem Haus
Und lasst die bösen Mäuler aus?
Ich hab' gebaut wie's mir gefällt
Mich hat's gekost‘t mein gut Stück Geld.

An einer großen Uhr:
So geht die Zeit
Zur Ewigkeit.

An einer Burg:
Wer diesen Burgfrieden bricht,
Der wird gericht't.


Ergebnisse des neunten Überkreises.

1. Anknüpfung an das freie Phantasiebauen der Kinder in der Kinderstube und Überführen zu dem geregelten Bauen in der Schule.
2. Das Zusammenstellen verschiedener Gegenstände aus zwei Bauklötzchenformen in bestimmter Anzahl.
3. Wirkung, Pflege und Regelung des monumentalen Formensinnes.
4. Hinweis auf die Bauwerke zur Erinnerung an große Ereignisse und Menschen und erste Einführung in die Geschichte der Baukunst, vermittelt durch die Bauübung.
5. Sprachbelebungen durch Erzählung, Beschreibung und Erinnerungssprüche.

Ein einzelner Spruch ist oft der Kern eines ganzen Lebens. In einem Spruche kann auch eine ganze Zeit charakterisiert sein. Ein Spruch kann eine tausendjährige Erfahrung in sich schließen. In einzelnen Aussprüchen leben große Menschen in der Erinnerung für die Nachwelt mehr als in umfangreichen Werken. Der Spruch ist immer das Ergebnis einer Reihe vorhergegangener Erfahrungen, Untersuchungen etc. Bibelsprüche, Volkssprüche, Schicksals- oder Orakelsprüche, Urteilssprüche, Warnungssprüche, Weisheitssprüche, Sinnsprüche, Denksprüche - alle diese Sprüche sind Offenbarungen des Geistes verschiedener Zeiten, Veranlassungen und Menschen. Der Spruch ist die Verkörperung einer Persönlichkeit, einer Zeit im engsten Rahmen und der Unterricht kann durch den Spruch Leben und Seele empfangen. Der Spruch gibt in dem Unterricht bei der Erzählung und Schilderung die Bestätigung, die bekräftigende Unterschrift, das beste Mittel für die Erinnerung und ein guter Lehrer wird solche Sprüche auszuwählen wissen, die sich der Erinnerung am besten einprägen. Wie begründet es ist, dass ein Spruch sich bei einer Schöpfung als etwas zu ihr Ergänzendes ergibt, wie bei einem Bauwerk oder Bildwerk, findet darin seine Bekräftigung, dass Kinder selber sich Sprüchlein schaffen, machen, die sie ihren kleinen Schöpfungen zur Erklärung und Belebung hinzufügen. Diese Sprüche kommen nicht aus dem Gedächtnis, sie wachsen wie alle Volkssprüche aus dem Leben des Kindes und der Lehrer kann in solchem Kindessprüchlein für das innere Kindesleben tiefe Einblicke gewinnen.

Die Sprüche, welche mit den Bauwerken zusammenhängen, mit ihnen einer geschichtlichen Zeit angehören, und bis in eine spätere Zeit sich erhalten haben, sollen die Sprech- und Sprachübungen, die der Überkreis des Bauens hervorruft, lebensfrischer machen und ihnen bedeutungsvolle Haltpunkte geben. Die Baukunst ist es besonders, die dem Spruchleben eine Unterlage gibt. Früher hatte jedes Haus seinen Türspruch und die inneren Wände der Zimmer waren noch außerdem mit Sprüchen geschmückt. An den Tempeln und Moscheen, an den Galerien in Kirchen, unter den Wandbildern sind kurze Gedenksprüche, die redenden Stimmen des Steines. Der Unterricht, der nichts einseitig angreifen darf, bleibt nicht nur bei den Bauformen, er geht auf ihre Entstehung, ihren Zweck ein und der Spruch ist dabei ein guter Wegweiser.


       Quelle: Bildewerkstatt für die Jugend, Zweiter Band, 1. Heft, von Jan Daniel Georgens und Jeanne Marie von Gayette, Karl Flemmings Verlag, Glogau, 1861

Interessant dabei ist, dass es sich nicht um die bekannten Fröbelgaben handelt, sondern um eigene Zusammenstellungen auf der Basis eines Kubus mit 3x3x3 Würfeleinheiten wie die Gaben 5 und 6 von Fröbel aber mit 11x Würfel #1 und 14x Ziegel #15 bzw. 14x Ziegel #15 und 22x Platte #19. Im Gegensatz zu Fröbel steht auch, dass nicht mehr alles durch Singen und Gedichte begleitet wird, sondern dass dies auf den Bauspruch reduziert wird. Auch werden nur architektonische Gebäude über die Völker und den Lauf der Zeit vorgestellt.