1883 - Katalog


1861

Der älteste Katalog zu den Steinbaukästen aus Richters Fabrik, den wir kennen, ist von 1883 und erschien am 5. Dezember 1883 als Beilage in der österreichischen Zeitung "Linzer Tagespost". Etwas verwirrend ist, dass die Kästen mit Buchstaben bezeichnet werden obwohl zum Teil im Beschreibungstext auf Kastennummern Bezug genommen wird.

Es wird bereits von Patent-Steinbaukästen gesprochen, auch gibt es bereits einen ersten Ergänzungskasten, jedoch gehören die Kästen noch der Ersten Folge der Georgens-Kästen an.


Katalog
über
Stein-Baukasten

Schutz-Marke

Fabriks-Niederlage:
Rudolf Gissinger, Linz,
Schmidthorstr. 4

Das Täfelchenlegen


Der Steinbaukasten.

In der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts wurde bekanntlich von Lavater der Holzbaukasten erfunden, welcher eines der beliebtesten Beschäftigungsmittel für Kinder bildete und daher bei den Weihnachts und Geburtstagsgeschenken eine sehr bedeutende Rolle spielte. So verbreitet und beliebt nun auch die Holzbaukasten sind, so wenig entsprechen sie jedoch dem Zweck: die Kinder zum Bauen anzuregen und ihr Interesse daran wachzuhalten, mit einem Wort ihnen Lust und Liebe zu der Beschäftigung des Bauens einzuflößen. Woran liegt dies? In erster Linie wirken die Holzbauten zu monoton, dann aber bieten die Vorlagen, wenn solche überhaupt beiliegen, keine Abwechslung, meist sind sie auch so schlecht gezeichnet, dass kaum ein Erwachsener, geschweige denn ein Kind danach bauen kann, und so kommt es denn, dass gewöhnlich schon nach einigen Tagen der Baukasten nicht mehr benutzt wird.

Was bieten dagegen den Kindern die neuen Patent-Steinbaukasten? Zunächst erhalten sie wirkliche Bausteine und zwar in drei Farben, rot (Backsteinfarbe), gelblich (Sandsteinfarbe und bläulich (Schieferfarbe), welche außerdem, weil aus künstlicher Steinmasse bereitet, dasselbe spezifische Gewicht wie Sandstein haben, so dass die Kinder mit natürlichem Baumaterial zu arbeiten wähnen, was einen ungemeinen Reiz auf dieselben ausübt. Wenngleich die verschiedenen durchaus exakt gearbeiteten Steinformen auf die mathematischen Grundkörper beschränkt sind, also alles Erkünstelte, auf momentane Effekthascherei Berechnete vermieden ist, so machen doch die mit diesem ebenso schönen wie dauerhaften Material ausgeführten Bauten einen sehr guten und vorteilhaften Eindruck, wozu wesentlich der Umstand beiträgt, dass die Ecken und Kanten der Steine gleichmäßig abgeschrägt sind. Hierdurch zeigen sich bei den Bauten dieselben gleichmäßigen Fugen, wie man solche bei den Backstein-Rohbauten zu sehen gewohnt ist. Das Material lässt sich durch einfaches Abwaschen leicht reinigen und erscheint deshalb immer neu und frisch, während die hölzernen Bauklötzchen sehr bald schmutzen und ihre scharfen Kanten und Ecken beim Gebrauch verlieren.

Die jedem Kasten beiliegenden in vier Farben gedruckten Bauvorlagen sind von tüchtigen Architekten nach in langjähriger Praxis bewährten Originalformen sehr korrekt ausgeführt und von einem der bedeutendsten Pädagogen nach den Altersstufen der Kinder systematisch geordnet, so dass bei den verschiedenen Ausgaben nur solche Anforderungen. Gestellt werden, welche dem Alter des Kindes entsprechen.

Diese sorgfältige Auswahl der Vorlagen ist selbst dann sehr wichtig, wenn der Baukasten dem Kinde lediglich als Spielzeug dienen soll, denn dadurch, dass es die verschiedenen Figuren auch wirklich selbst nachbauen kann, findet es sich befriedigt und geht stets mit neuem Eifer an die Arbeit, umso mehr, als das Farbige der Bauten einen immer neuen Reiz auf das Kind ausübt. Bei Benutzung der Steinbaukasten in Kindergärten fallen die oben geschilderten Vorzüge derselben noch weit mehr in die Augen, ja sie sind für diese von geradezu epochemachender Bedeutung, wie sowohl von pädagogischen Zeitschriften als auch von Kindergarten-Vorsteherinnen unumwunden anerkannt worden ist. Doch nicht nur als bestes Spiel und Beschäftigungsmittel für kleinere Kinder finden die Patent-Steinbaukasten umfangreiche Verwendung, sondern auch der reiferen Jugend dienen sie als belehrendes Beschäftigungsmittel, wie auch die aus demselben unzerbrechlichen Material hergestellten sogenannten Architektensteine von den Schülern technischer Hochschulen dazu verwendet werden, um ihre theoretischen Studien praktisch zu erproben. Die durchaus genaue Arbeit der Steine ermöglicht die Nachbildung selbst großer Monumentalbauten und äußert sich über die Zweckdienlichkeit dieser Architekten beziehungsweise. Modellsteine Herr Regierungs und Baurat, Professor Schwatlo in Berlin gutachterlich wie folgt:

“Die Patent-Modellsteine sind auf nassem Wege durch Pressen in sehr korrekten Formen hergestellt und zeichnen sich durch ihre sehr genauen Masse und die Einheit der Flächen vor den bisher üblichen Modellsteinen in Terra-Cotta, welche sich beim Brennen mehr oder weniger verziehen und sehr ungleich schwinden, aus. Das Material zu den Steinen, dessen Herstellung vorläufig als Geheimnis behandelt wird, hat eine Härte, welche für alle Anwendungen genügt und derartige Beschädigungen wie sie beispielsweise bei Gips sehr bald wegen der Weichheit des Materials störend auftreten, ausschließt. Die Löslichkeit des Steinmaterials im Wasser ist kaum wahrnehmbar. Steine, welche 48 Stunden im Wasser gelegen hatten, färbten weder ab, noch zeigten sie Spuren von Erweichung.

Für die Zusammensetzung verschiedener Konstruktion kann Gummi arabicum oder auch Leim, eventuell mit feinem Sande vermischt, angewendet werden. Es bietet dies den Vorteil, dass man die Steine, welche zu einer Konstruktion verarbeitet waren, durch Wasser wieder voneinander lösen und ferner verwenden kann. Auch eignet sich dieser Leimmörtel besser zu den betreffenden Arbeiten als der Gips oder Kalk, mit welchen Materialien sich schwer die gewünschte Sauberkeit erzielen lässt.

Für die Herstellung von gewöhnlichen Mauerverbänden liefert die Fabrik bereits alle erforderlichen gewöhnlichen und Teilsteine, wie Dreiquartiere, Riemstücke, Halbe, Riemstück Dreiquartiere usw. in drei Formaten, wovon das größte in 1/5 des natürlichen Maßstabes für wissenschaftliche Zwecke als das geeignetste erscheine.“

Wie alles Neue, so wurden auch die Steinbaukasten anfänglich mit Misstrauen aufgenommen, besonders von den Spielwaren-Geschäften, welche. teils das größere Gewicht der einzelnen Steine beanstandeten, teils aber auch befürchteten, die älteren Holzbaukästen möchten dadurch Ladenhüter werden. Das Publikum lernte jedoch sehr bald die vielen Vorzüge und insbesondere das größere spezifische Gewicht derselben schätzen, da gerade letzteres es ermöglicht, hohe Bauten ohne Gefahr des leichten Einstürzens damit auszuführen, und stieg infolge dessen die Nachfrage so sehr, dass jetzt jedes feinere Spielwaren-Geschäft dieselben auf Lager hat. Welche schöne Bauten mit den Steinen selbst der kleineren Baukasten ausgeführt werden können, zeigt das nebenstehende Bild.

Die Preise der Patent-Steinbaukasten sind sehr mäßig, denn schon für 75 Kronen erhält man einen Kasten mit vierfarbiger Vorlage, nach welcher 13 Figuren gebaut werden können. Schließlich sei noch besonders darauf aufmerksam gemacht, dass die Bausteine auch einzeln käuflich sind, wodurch den Kindern die Möglichkeit geboten wird, etwa verloren gegangene Steine zu ersetzen oder sich einen größeren Vorrat von der einen oder anderen Sorte anzuschaffen. Der Steinbaukasten kann also immer vollständig erhalten werden und verliert nicht, wie die Holzbaukasten, durch den Verlust einzelner Teile seinen Wert. Dieser Umstand verdient die vollste Beachtung sowohl der Eltern, wie auch der Kindergärtnerinnen. Die einzelnen Steine sind sehr billig und passen selbstredend genau zu dem in den verschiedenen Kasten befindlichen Material.

Aus gleichem Material wie die Bausteine werden auch Täfelchen geliefert, welche in sechs harmonisch abgestimmten Farben in neun verschiedenen Formen ausgeführt und in eleganten Kasten mit vier bis acht Vorlagen unter der Bezeichnung Täfelchenlegen, resp. Mosaikspiel, zum Verkauf gelangen. Wie die in sechs Farben gedruckten Vorlagen zeigen, lassen sich mit den Patent-Steintäfelchen allerliebste Figuren legen: Sterne, Rosetten, Kreuzformen etc. etc., eben wie sie auch zum Legen eines Mosaikfußbodens sich vorzüglich eignen und daher eine passende Ergänzung der Baukasten bilden. Die Täfelchen dienen auch gleichzeitig als bestes Mittel, um bei den Kindern den Farbensinn anzuregen und auszubilden, bei ihnen rechtzeitig das richtige und im praktischen Leben oft so wichtige Gefühl für Harmonie der Farben zu wecken. Das Täfelchenlegen ist mithin nicht nur ein interessantes Beschäftigungs, sondern auch gleichzeitig ein vorzügliches Bildungsmittel für Kinder über vier Jahre und verdient mit Recht die große Beachtung, welche es bei allen einsichtigen Eltern und Erziehern gefunden hat.

Um keine minderwertigen Imitationen zu erhalten, wolle man beim Einkauf vorsichtig sein und gefälligst stets genau danach sehen, ob auch das hierneben abgedruckte Fabrikzeichen „Eichhörnchen“ auf der Verpackung deutlich sichtbar ist, denn wo diese Marke fehlt, sind die Artikel nicht die in unserer Fabrik gefertigten und hier besprochenen.

Wien, I Nibelungengasse 4.
F. Ad. Richter & Cie.

Von den Steinbaukasten sind bis jetzt nachstehende Ausgaben und zwar Etiketten und Vorlagen mit Text in je zwei Sprachen (deutsch-französisch, deutsch-ungarisch, deutsch-böhmisch, deutsch-polnisch, französisch-englisch, französisch-holländisch) erschienen:

Preis pro Stück

A. Volksausgabe. Pappkasten; Größe: 165:115:30mm. Inhalt: 43 Steine kleinen Kalibers und Vorlagen mit 13 Abbildungen; Gulden 0,75
B. Volksausgabe. Pappkasten; Größe: 195:130:30 mm. Inhalt: 43 Steine kleinen Kalibers und ein Heft Vorlagen mit 19 Abbildungen; Gulden 1,10
C. Dieselbe Ausgabe. Tannenholzkasten mit Schiebdeckel; Größe: 215:150:45 mm. Inhalt: 43 Steine kleinen Kalibers und ein Heft Vorlagen mit 24 Abbildungen und Text; Gulden 1,25
D. Dieselbe Ausgabe, jedoch mit Steinen großen Kalibers; Größe: 260:175:50 mm; Gulden 1,90 E. Holzkasten mit Schiebdeckel; Größe: 285:200:50 mm. Inhalt: 83 Steine kleinen Kalibers und ein Heft mit 9 großen Vorlagen und Text; Gulden 2,20
F. Kasten und Größe desselben wie E. Inhalt: 87 Steine kleinen Kalibers und ein Heft Vorlagen mit 60 Abbildungen und Text; Gulden 2,50
I. Holzkasten mit Schiebdeckel; Größe: 290:200:70 mm. Inhalt: 164 Steine kleinen Kalibers in Doppellagen mit 16 Seiten großen Vorlagen; Gulden 4,00
K. Kasten wie I; Größe: 275:190:80mm. Inhalt: 91 Steine großen Kalibers in Doppellagen mit 16 Seiten großen Vorlagen und Text; Gulden 4,20
M. Holzkasten mit Schiebdeckel; Größe: 275:190:80mm. Inhalt: 94 Steine großen Kalibers in Doppellagen und ein Heft Vorlagen mit 60 Abbildungen; Gulden 4,50
P. Holzkasten mit Schiebdeckel und Metallecken; Größe: 300:225:45 mm. Inhalt: 109 Steine kleinen Kalibers und ein Heft Vorlagen mit ca. 70 Abbildungen und Text; Gulden 3,50
Q. Feiner Holzkasten mit Schiebdeckel und Metallecken; Größe: 375:275:50mm. Inhalt: 102 Steine großen Kalibers und ein Heft Vorlagen mit ca. 70 Abbildungen und Text; Gulden 4,75
R. Kasten und Größe desselben wie Q. Inhalt: 115 Steine großen Kalibers und ein Heft Vorlagen mit ca. 30 Abbildungen und Text; Gulden 5,00
S. Kasten wie Q. Größe: 375:285:45 mm. Inhalt: 173 Steine kleinen Kalibers und ein Heft Vorlagen mit ca. 40 Abbildungen und Text; Gulden 5,50
T. Imitiert Ebenholzkasten mit Schloss, Klappdeckel mit hocheleganter Metallplatte und dementsprechenden Seitenteilen; Größe: 280:190:90 mm. Inhalt: 91 Steine großen Kalibers und ein Heft Vorlagen mit ca. 30 großen Abbildungen und Text; Gulden 9,80
U. Kasten und Größe desselben wie T. Inhalt: 94 Steine großen Kalibers und ein Heft Vorlagen mit ca. 70 Abbildungen und Text; Gulden 10,20
V. Kasten und Größe desselben wie 19, mit 191 Steinen großen Kalibers und Vorlagen mit vielen neuen Bauten. Dieser Kasten dient zur Komplettierung von No. 20; Gulden 5,50
W. Feiner ebenholzgebeizter und lackierter Kasten mit Schiebdeckel und zwei Einsätzen, enthält 310 Steine großen Kalibers und 2 Hefte mit Vorlagen. Der mit Metallecken versehene Kasten ist sehr elegant; Gulden 10.50
Wa. Sehr feiner Kasten von hartem Holz, schwarz gebeizt und fein poliert, mit einem sehr eleganten Etikett in Gold und Silberdruck und Einsätzen mit NickelScharnieren, im Übrigen aber wie No. 25; Gulden 13.50

Bestellungen auf die beiden letzten Sorten wolle man baldigst aufgeben, weil nur dann für prompte Lieferung gesorgt werden kann.
Die Ausgaben A, B, C, D, F, M, P, Q und U, sogenannte „Kindergarten-Ausgaben“ eignen sich am besten für Knaben und Mädchen im Alter bis zu 7 Jahren.
Bei den Ausgaben mit „klein Kaliber“ hat der Kubus 20 mm, bei denen mit „groß Kaliber“ 25 mm.


Richter's Druckerei in Rudolstadt.


       Quelle: (Linzer) Tages-Post, 5. Dezember 1883, Beilage