Eine Materialsammlung zur Frühgeschichte des Steinbaukastens


Einleitung


1. Anlauf - Wien


2. Anlauf - Nürnberg


3. Anlauf - Berlin


Legenden


Resümee

Die Frühgeschichte des Steinbaukastens

Im Editorial des MLB vom Frühjahr 2008, der Vereinszeitschrift des "Club van Ankervrienden", schrieb George Hardy


Und die Informationen über Jan Daniel Georgens und Neuer Kindergarten sollten mehr sein als jeder AF je wissen möchte.


Wir befürchten allerdings, dass man über Jan Daniel Georgens doch noch mehr wissen muss, um die Vorgeschichte des Anker-Steinbaukastens zu verstehen. Bislang gilt unter Ankerfreunden Georgens nur als jemand, der den ersten Kästen seinen Namen gab, damit diese von seinem Promistatus als anerkannter und bekannter Pädagoge profitieren, was Richter in seine Werbestrategie passte. Unter Lilienthalfreunden gilt er als der irgendwie undefinierte Arbeitgeber von Lilienthal, der diesen erlaubte ihre Erfindung und Entwicklung mit in die von ihm bei Richter herausgegebene Serie von Beschäftigungsmaterialien einzugliedern.

Bei den Auszugs- und Volltextzitaten wurde versucht, die Rechtschreibung und Schreibweise behutsam an die heutige Zeit anzupassen. Die Volltexte sind eigentlich Transkriptionen, da nicht jeder mehr in der Lage ist Fraktur zu lesen. Zudem erleichtert dies unseren nicht deutsch sprechenden Ankerfreunden das Verständnis, denn so können sie sich die Texte automatisch übersetzen lassen. Bei den Quellen handelt es sich zwar überwiegend um im Internet auffindbare Dokumente, jedoch ist die automatisierte Texterkennung von in Fraktur gedruckten Texten zum Teil sehr schlecht oder mehrspaltige Texte werden nur zeilenweise über die ganze Seite analysiert. Dies machte zum Teil eine vollständige Neuerfassung der Texte notwendig und bringt auch erhebliche Schwierigkeiten bei der einfachen Textsuche mittels Internet-Suchmaschinen oder in den entsprechenden Volltextdatenbanken mit sich. Man ist immer wieder überrascht, was man alles nicht gefunden hat, wenn man digitalisierte Originaldokumente auf Verdacht studiert.

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Diese Materialsammlung wird im Moment noch ständig erweitert; der aktuelle Stand ist der 26. März 2021.

JahrTextBild

1823

Vorab einige Informationen zu Jan Daniel Georgens, Jahrgang 1823, wie sie bislang veröffentlicht wurden:


Jan-Daniel Georgens (* 12. Juni 1823 in Leistadt, jetzt Bad Dürkheim; † 9. November 1886 in Bad Doberan) war ein deutscher Pädagoge.

Leben

Von 1841 bis 1843 besuchte Georgens das Lehrerseminar in Kaiserslautern. Beeinflusst von den Werken Pestalozzis, Rousseaus und Fröbels, mit welchem er in Briefwechsel stand, ist sein weiterer Ausbildungsweg umstritten. Eine – von ihm selbst behauptete – akademische Ausbildung ist nicht nachweisbar; der Doktortitel, unter dem er veröffentlichte, ist vermutlich „selbst zugelegt“. Jedoch wurden er und seine Frau im Jahr 1857 als Ehrenmitglieder in die Leopoldina aufgenommen.

Nach verschiedenen pädagogischen Anstellungen übernahm Georgens 1848 in Worms eine Schule für „höhere Töchter“. Später arbeitete er als Erzieher und Hauslehrer im Dienst einer adligen Familie in Wien und gründete 1856 mit seiner späteren Frau Jeanne Marie Gayette in Baden bei Wien, später in Liesing, eine Schule für lernschwache Kinder, die Heilpflege- und Erziehungsanstalt Levana. Er leitete diese Schule bis 1865.

Unter Hinterlassung von Schulden verschwand er aus Wien. Zuerst hielt er sich in der Schweiz auf, wo er in Herisau einen Kindergarten einrichtete, um dies dann anschließend in Nürnberg zu wiederholen.

Ab 1868 lebte Jan-Daniel Georgens in Berlin und veröffentlichte zahlreiche Schriften zur Heilpädagogik, Sonderpädagogik und zur frühen Kinderbetreuung und -erziehung. Die Liste seiner Publikationen umfasst nicht weniger als 161 Einträge. Zu den veröffentlichten Spiel- und Lernmitteln gehört auch der von Gustav Lilienthal entwickelte spätere Anker-Steinbaukasten.


  Quelle: Eintrag zu Jan Daniel Georgens in der deutschen Wikipedia, Stand 24. März 2021,


Die Durchstreichung erfolgte durch uns aus gutem Grund, wie anhand der nachfolgenden Quellen gezeigt wird, die sich unter anderem mit der Biographielücke im Wikipedia-Eintrag von 1866 - 1869 beschäftigt. Weitere Infos zu Jan Daniel Georgens findet man in diesem Linkverzeichnis zum Selbststudium.

1850

Georgens gründet 1850 den ersten Fröbel‘schen Kindergartens in Baden-Baden und war von daher mit dem Fröbel‘schen System und insbesondere dessen Spielgaben und Beschäftigungsmaterialen vertraut.

Er war sogar noch mit Fröbel persönlich bekannt. Aus einem Brief von Friedrich Fröbel an Jan Daniel Georgens in Baden-Baden vom 15.7.1851 (Marienthal) geht hervor, dass er gemeinsam mit Fröbel ein „Familienhaus zu allseitiger Lebenseinigung“ in Baden Baden plante:


Ihren Gedanken, den Sie in dem „Plane“ entwickelt haben, gebe ich meine volle Beistimmung, sowie daß schon jetzt dafür zu arbeiten begonnen werden müsse, wenn nämlich in Baden ein „Erziehertag“ zu Stande kommt, und die Musteranstalt mit dem 1. Mai 1852 eröffnet werden kann. Wenn das ist, so gebe ich, um die Kräfte nicht zu zersplittern, wohl für diesen Sommer den Erzieherverein hier auf und siedle dann zu Frühjahr des nächsten Jahres mit meiner Anstalt „Marienthal“ zu Ihnen nach dem schönen Baden-Baden über.

    Quelle: Friedrich Fröbel an Jan Daniel Georgens in Baden-Baden v. 15.7.1851 (Marienthal)

Weitere Briefe an und über Georgens: Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung des DIPF - Briefedition Friedrich Fröbel.

Der Umzug kam nicht zustande, Fröbel verstarb am 21. Juni 1852.

1856

Über mehrere Zwischenstufen gelange Georgens nach Wien und gründete 1856 mit seiner späteren Frau Jeanne Marie Gayette in Baden bei Wien, später in Liesing, eine Schule für lernschwache Kinder, die Heilpflege- und Erziehungsanstalt Levana. Einer seiner engsten Mitarbeiter war Heinrich Marianus Deinhardt. Beide gelten durch das Werk:

Dr. Georgens und H. Deinhardt: Die Heilpädagogik mit besonderer Berücksichtigung der Idiotie und der Idiotenanstalten. 2 Bände, Leipzig 1861 und 1863

Die Heilpaedagogik : Zwölf Vorträge zur Einleitung und Begründung einer heilpädagogischen Gesammtwissenschaft - Band 001: mit besonderer Berücksichtigung der Idiotie und der Idiotenanstalten
Die Heilpaedagogik : Zwölf Vorträge über die Idiotie und die Idiotenerziehung in ihrem Verhältniss zu den übrigen Zweigen der Heilpaedagogik und zu der Gesundenerziehung - Band 002: mit besonderer Berücksichtigung der Idiotie und der Idiotenanstalten

als die Gründerväter der Fachrichtung Heilpädagogik, wobei unter Fachleuten umstritten ist, wer welchen Anteil daran hat.

1858



Im Jahrbuch der Levana von 1858 wird auch das Bauen besprochen. Dabei erscheinen die ersten Ansätze, die später zum Steinbaukasten führten. So gibt es Überlegungen, dass für die behinderten Zöglinge der Levana schwerere (und größere) Bausteine geeigneter wären. Ebenfalls wird über die Steinfarben nachgedacht.


Das Nachbauen gibt bei dieser Beschäftigung den nächsten Fortschritt an und beweist, dass das Vergleichungsvermögen erwacht ist. Jetzt kann man damit beginnen, die einfachsten Formen mit einer bestimmten Anzahl gleichgeformter Steine nach bauen zu lassen. Die Steine müssen aber massiv, aus Ziegelton oder hartem Holz geformt sein.
Auf unserer ersten Bautafel finden wir 18 verschiedene Zusammenstellungen aus acht Bauklötzchen in gleicher Form : 8 Zoll lang, 4 Zoll breit und 2 Zoll dick.

...

Was das Bauen anbetrifft, so beginnen wir die systematische Bauübung bei den Blödlingen grade wie Fröbel mit acht Bausteinen in Backsteinformen, aber erst dann, wenn das freie, bei den Blödlingen allerdings stets anzuregende und zu unterstützende Kombinieren einer beliebigen Zahl von Bausteinen in verschiedenen Formen eine genügende Zeit schon getrieben worden und dadurch die Reflexion auf die Bestimmtheit der Bauform schon geweckt worden ist; denn die systematische Bauübung verlangt das Nachbauen und man muss hier und bei den Blödlingen nicht nur von den leichtesten Aufgaben ausgehen, sondern ihnen auch möglichst anschaulich machen, dass mit demselben Materiale d.h. mit derselben Zahl gleicher Bausteine die verschiedensten Formen hergestellt werden können. Während bei dem Bauen der Gesunden grelle Farben nicht in Anwendung kommen dürfen, sondern nur und zwar auch nicht durchweg matte Steinfarben, ist bei den Blödlingen die Färbung und zwar die entschiedene Färbung der Steine nicht nur zulässig, sondern geboten, weil ihnen ausserdem die Form, die sie darstellen, nicht als eine konkrete vorstellig wird. Wir brauchen also insbesondere Bausteine , welche das Backsteinrot und das Rot der Ziegeldächer darstellen, ferner rein weisse Steine zur Darstellung weisser Wände, der Sockel und Eckquadern. Will man noch eine dunklere Färbung hereinnehmen, so ist es dem Ziegeldach gegenüber das Schieferdach. –


  Quelle: Dr. Georgens, Jeanne Marie von Gayette, Heinrich Deinhardt, JAHRBUCH DER LEVANA für das Jahr 1858, Wien, Verlag der typografisch-literarisch-artistischen Anstalt (L. C. Zamarski, C . Dittmarsch & Comp.), 1858, Seite 68 und 80/81

Dabei wird noch auf die klassischen Steinformen der Fröbelgaben zurückgegriffen, diese jedoch von der Beschränkung in der Anzahl befreit, wie auch die beigefügten Tafeln von Bauformen zeigen.

1858



In diesem Jahr veröffentlichen Jan Daniel Georgens und Jeanne Marie von Gayette gemeinsam ein weiteres Buch, den Prachtband "Sternbilder-Buch".

  Quelle: Dr. Georgens, Jeanne Marie von Gayette, Sternbilder-Buch, Verlag der typografisch-literarisch-artistischen Anstalt (L. C. Zamarski, C . Dittmarsch & Comp.), 1858



72 Jahre später reklamiert 1930 Gustav Lilienthal in seinen Lebenserinnerungen "Die Lilienthals" die Mitarbeit an diesem Buch für sich. Eine zweite geänderte oder erweiterte Auflage ist jedoch nicht bekannt.


Jan Dan. Georgens, ein wissenschaftlich gebildeter Pädagoge mit reformatorischem Sinn auf dem Gebiete der weiblichen Ausbildung und der Kindererziehung, hatte das Talent des jungen Gustav Lilienthal für seine Pläne gewonnen. Er und seine Frau J. Gayette-Georgens gaben unter produktiver Mitarbeit Lilienthals „Die Schulen der weiblichen Handarbeit“ (12 Hefte, 1877 bis 1886), „Jugendspiel und Arbeit“, das Sternbilderbuch und noch anderes Anregende auf diesem Gebiete heraus.




1861

1857 veröffentlichten Jan Daniel Georgens und Jeanne Marie von Gayette (seine spätere Frau) die Publikation "Bildewerkstatt für die Jugend", in dem in eigenem Duktus die Fröbelschen Spielgaben und Beschäftigungsspiele erläutert werden. 1861 folgte ein zweites Heft, das über einen Abschnitt "Das Bauen" verfügt.


Neunter Überkreis.

Das Bauen.

Jedes Kind will bauen, gleichviel mit welchem Material. ...

Von der ungezählten Menge von Bausteinen, die nach freiem Belieben, wie es der Augenblick der Phantasie eingibt, zusammengesetzt werden, geht der kleine Bauschüler allmählich zu einer bestimmten Zahl und auch zu einer bestimmten Form von Bausteinen über. Die Backstein- oder Ziegelform ist den Kindern die handlichste und angenehmste; sie wissen mehr damit anzufangen, als mit den Würfelklötzchen, aber beide Bauklötzchenformen geben den Kindern Stoff zu den mannigfaltigsten Abwechslungen in ihren Bauschöpfungen.

Unser Überkreis darf ein solches Bauen mit den bekannten Klötzchenformen als vielgeübt in jeder Familie voraussetzen, und sich darum mit seinen Bauübungen an jene Vorarbeit sicher anschließen.

In die Zusammenstellungen kommt Leben durch das Gesetz. Erst heißt es die zwei Bausteinformen, die wir angenommen: die Backstein- und die Würfelform mit einander in Verbindung zu bringen. Die Backsteine haben die doppelte Länge und halbe Höhe des Würfelklötzchens. Von beiden ist eine bestimmte Anzahl festzuhalten, von den ersteren vierzehn, von den Würfeln dreizehn, die zusammen in die mannigfachsten Kombinationen treten können.

Zuerst sehen wir die Bauklötzchen, wie sie zu einem großen Würfel zusammengefügt im Baukasten liegen. Zwei übereinandergelegte Backsteine nehmen denselben Raum ein, wie zwei nebeneinander gestellte Würfel.

Bei Nr. 2. und 3. sind die beiden Bauklötzchenformen gesondert, hier zur Linken liegen vierzehn Backsteinformen neben- und übereinander, eine Wand bildend. Aus der andern Seite dreizehn Würfel in gleicher Zusammenstellung, nur ist die aus Würfeln zusammengesetzte Mauer halb so breit, weil sie noch einmal so dick ist, sie nimmt deshalb doch so viel Raum ein, wie die aus Backsteinen gebildete Wand in Nr. 2.

Nachdem wir die einfachen Wände von halber und ganzer Dicke mit jeder Bausteinform allein aufgeführt haben, nehmen wir beide zusammen und sehen, was sich daraus Neues ergibt.

Zuerst steht in Nr. 4. die Seitenwand eines Hauses mit drei Fensteröffnungen vor uns.

Nr. 5. ist ein Brückengang; Nr. 6. eine Wallwand; Nr. 7. ein Tor; Nr. 8. ein Haus- oder Kirchengiebel; Nr. 9. ein Wegweiser auf einer Anhöhe; 10. ein Haupteingang mit zwei Seitentüren; 11. eine Vorhalle.

Bei allen diesen Formen findet die gleiche Anzahl von Steinen ihre Anwendung und es ist eben die Ausgabe des kleinen Bauschülers mit nicht mehr und nicht weniger als den 13 Würfel- und 14 Backsteinklötzchen eine bestimmte Form auszuführen.

Die elf Formen, welche unsere Tafel zeigt, erschöpfen noch nicht den Reichtum von Formen, die sich aus beiden Arten von Bauklötzchen zusammenfügen lassen. Wir haben hier nur die Vorderseite einiger Bauten aufgeführt. Dem Bauschüler wird es aber Aufgabe sein, mehrseitige Bauwerke hinzustellen und auch auf die Ecken zu achten, dass diese sich wohl in einander fügen.

Auf der zweiten Tafel finden sich unsere Würfelklötzchen in der Mitte durchgeschnitten, also in doppelter Anzahl wie auf der ersten und dadurch verändern sich auch die Bauformen.
In Nr. 1. sind wieder sämtliche Bauklötzchen zu einem Würfel zusammengestellt und bei 2. und 3. sind sie gesondert zu Wänden aufgerichtet. 4. ist wieder ein Giebel; 5. eine Walhalla; 6. Eine Halle mit durchbrochenem Giebel; 7. eine durchbrochene Gartenmauer; 8. ein Friedhofeingang mit einem Glockentürmchen und Nr. 9 ein Stadttor.

Ebenso wie bei der ersten Tafel noch eine Menge anderer Formen unter derselben Bauklötzchenform zulässig blieben, so auch bei der zweiten, die nur wieder einige Bauproben bringt und zwar abermals nur von Vorderansichten.

Unseren kleinen Bauschülern bleibt es nun noch außerdem überlassen, sich die Steine auf ihre Weise und nach ihrem Baubedürfnis zu spalten. Die nächste Teilung verlegt die Backsteine der Länge nach in zwei Hälften und der Bauschüler hat damit vierkantige Säulchen von doppelter Höhe und halber Breite des Würfels: mit diesen Säulchen und den halben Würfelplättchen beginnt nunmehr ein neues vergleichendes Bauen.

Durch die schräge Teilung des Würfels kommt eine neue Verwandlung in die Bauformen. Bei dem Versuche, den Würfel zu teilen, kommen die Bauschüler leicht darauf, diesen noch von Kante zu Kante zu teilen. Durch diese Schrägteilung gewinnen wir eine ganz neue Art von Bausteinformen und auch eine verschiedene Anzahl zur Verwendung.


...

Ergebnisse des neunten Überkreises.

1. Anknüpfung an das freie Phantasiebauen der Kinder in der Kinderstube und Überführen zu dem geregelten Bauen in der Schule.
2. Das Zusammenstellen verschiedener Gegenstände aus zwei Bauklötzchenformen in bestimmter Anzahl.
3. Wirkung, Pflege und Regelung des monumentalen Formensinnes.
4. Hinweis auf die Bauwerke zur Erinnerung an große Ereignisse und Menschen und erste Einführung in die Geschichte der Baukunst, vermittelt durch die Bauübung.
5. Sprachbelebungen durch Erzählung, Beschreibung und Erinnerungssprüche.

Ein einzelner Spruch ist oft der Kern eines ganzen Lebens. In einem Spruche kann auch eine ganze Zeit charakterisiert sein. Ein Spruch kann eine tausendjährige Erfahrung in sich schließen. In einzelnen Aussprüchen leben große Menschen in der Erinnerung für die Nachwelt mehr als in umfangreichen Werken. Der Spruch ist immer das Ergebnis einer Reihe vorhergegangener Erfahrungen, Untersuchungen etc. Bibelsprüche, Volkssprüche, Schicksals- oder Orakelsprüche, Urteilssprüche, Warnungssprüche, Weisheitssprüche, Sinnsprüche, Denksprüche - alle diese Sprüche sind Offenbarungen des Geistes verschiedener Zeiten, Veranlassungen und Menschen. Der Spruch ist die Verkörperung einer Persönlichkeit, einer Zeit im engsten Rahmen und der Unterricht kann durch den Spruch Leben und Seele empfangen. Der Spruch gibt in dem Unterricht bei der Erzählung und Schilderung die Bestätigung, die bekräftigende Unterschrift, das beste Mittel für die Erinnerung und ein guter Lehrer wird solche Sprüche auszuwählen wissen, die sich der Erinnerung am besten einprägen. Wie begründet es ist, dass ein Spruch sich bei einer Schöpfung als etwas zu ihr Ergänzendes ergibt, wie bei einem Bauwerk oder Bildwerk, findet darin seine Bekräftigung, dass Kinder selber sich Sprüchlein schaffen, machen, die sie ihren kleinen Schöpfungen zur Erklärung und Belebung hinzufügen. Diese Sprüche kommen nicht aus dem Gedächtnis, sie wachsen wie alle Volkssprüche aus dem Leben des Kindes und der Lehrer kann in solchem Kindessprüchlein für das innere Kindesleben tiefe Einblicke gewinnen.

Die Sprüche, welche mit den Bauwerken zusammenhängen, mit ihnen einer geschichtlichen Zeit angehören, und bis in eine spätere Zeit sich erhalten haben, sollen die Sprech- und Sprachübungen, die der Überkreis des Bauens hervorruft, lebensfrischer machen und ihnen bedeutungsvolle Haltpunkte geben. Die Baukunst ist es besonders, die dem Spruchleben eine Unterlage gibt. Früher hatte jedes Haus seinen Türspruch und die inneren Wände der Zimmer waren noch außerdem mit Sprüchen geschmückt. An den Tempeln und Moscheen, an den Galerien in Kirchen, unter den Wandbildern sind kurze Gedenksprüche, die redenden Stimmen des Steines. Der Unterricht, der nichts einseitig angreifen darf, bleibt nicht nur bei den Bauformen, er geht auf ihre Entstehung, ihren Zweck ein und der Spruch ist dabei ein guter Wegweiser.


  Quelle: Jan Daniel Georgens, Jeanne Marie von Gayette: Bildewerkstatt für die Jugend, Zweiter Band, 1. Heft, Glogau, Karl Flemmings Verlag, 1861, Seite 88-91, 2 Tafeln

Interessant dabei ist, dass es sich nicht um die bekannten Fröbelgaben handelt, sondern um eigene Zusammenstellungen auf der Basis eines Kubus mit 3x3x3 Würfeleinheiten wie die Gaben 5 und 6 von Fröbel aber mit 11x Würfel #1 und 14x Ziegel #15 bzw. 14x Ziegel #15 und 22x Platte #19. Im Gegensatz zu Fröbel steht auch, dass nicht mehr alles durch Singen und Gedichte begleitet wird, sondern dass dies auf den Bauspruch reduziert wird. Auch werden nur architektonische Gebäude über die Völker und den Lauf der Zeit vorgestellt.







1863

1863 erschien dann eine Anzeige, in der Beschäftigungsmaterial nach Fröbelart unter dem Namen "Orbis Laboris" von Dr. Georgen angeboten wird:


Orbis Laboris.
Neue Beschäftigungen, Spiele und Arbeiten für Kinder, von Dr. Georgens und Jeanne Maria von Gayette, Vorstehern der Kinder-Heilanstalt "Levana."

1. Baukasten zu 3 Gulden 50 Kreuzer bis 5 Gulden
2. Das Ringelegen, zu 1 Gulden 50 Kreuzer
3. Das Stäbchenlegen, zu 75 Kreuzer
4. Bogen für das Bildausschneiden (im Hause oder für ganze Schulklassen) zu 15 Kreuzer

Erschienen und zu haben: Wien in der Buchhandlung von Albert A. Wenedikt, Lobkowitzplatz


    Quelle: Georgens, Jan Daniel: Orbis Laboris, in: Fremdenblatt, Wien, Gustav Heine, 23. Dezember 1863, Seite 15

Die Anzeige erscheint auch am 24. und 29. in dieser Zeitung. Der knappe Text lässt keine Aussage zur Art der Baukästen zu. Aber Fröbelgaben sind zu dieser Zeit viel preisgünstiger. Sie kosten in guter Qualität bei 15-25 Kreuzern, selbst die vergrößerten Gaben für die Erzieherin mit 2 Zoll Kantenlänge kosten nur um die 65-75 Kreuzern.

1864

Passend dazu kam im Januar des Folgejahres eine gleichnamige Zeitschrift "Orbis Laboris" des Gespanns Georgens und Gayette heraus, in die ihre vorherige Zeitschrift "Der sozial-pädagogische Arbeiter" aufging. Sie beschäftigt sich - wie kann es anders sein - unter anderem mit dem in der Anzeige aufgeführten Spiel- und Beschäftigungsmaterial. Bereits das erste Heft ist dem Bauen gewidmet. Bislang konnte kein Exemplar dieser Zeitschrift gefunden werden, jedoch gibt es in der zeitgenössischen Literatur Besprechungen:


Dr. J. Daniel Georgens und Jeanne Marie von Gayette Orbis laboris. Beschäftigungen, Arbeiten und Spiele in Verbindung mit dem Unterrichte für Knaben und Mädchen in dem Alter von 3-14 Jahren. Heft 1. das Bauen. Mit 4 Tafeln „Bauform“ in Farbendruck und einer Beilage, „Socialpädagogische Blätter“ Preis 1/3 Thaler. Wien bei Wenedikt; Leipzig bei L. Herbig 1864.

Diese letztere neue Zeitschrift ist, nur unter anderem Titel, die Fortsetzung des „Socialpädagogischen Arbeiter“, während sich der orbis laboris an früher veröffentlichte Arbeiten der Vorsteher der „levana“, welche ihrer Zeit Zeit angezeigt wurden, anschließt. Wir vermissen bei dieser Veröffentlichung den Namen eines früheren Mitarbeiters, begegnen dafür wiederum Herrn Joseph Gruber, der „die Spiele der Kinder in Dedenburg“ fortsetzt und die Leidensgeschichte eines Schulmannes erzählt. Bezüglich des Inhalts erinnern wir an Beurteilung der früheren Zeitschrift. Die Aufsätze: Die Levanaschule und die Mittel des Levana-Kindergartens sind kurz und inhaltsreich; die Tafeln zum Bauen zum Teil ganz vortrefflich und gut geordnet. Der orbis laboris bringt Kindererzieherinnen willkommenen Stoff. Die beigegebenen Xenien behagen uns nicht, obwohl wir darin nicht schlecht wegkommen. Aber wir denken, daß neben dem Spott auf einen tüchtigen Pädagogen, ein Lob auf uns selbst eine wahre Satire ist. Lasse man doch überall die Personen aus dem Spiel und fasse die Sache auf. Ed. D.


    Quelle: Ed. D.: Buchbesprechung, Allgemeine Schulzeitung, Darmstadt, Karl Zimmermann, 3. Februar 1864, Seite 38

Ausser bei Wendedikt in Wien erfolgte also auch eine Veröffentlichung bei L. Herbig in Leipzig. Ein Herr Joseph Gruber publizierte dort weiterhin. Der vermisste Mitarbeiter wird wohl H. Deinhardt sein. Die Angabe "Bauformen im Farbendruck" erweckt Interesse, aber möglicherweise sind es nur Tafeln in der Art wie sie bereits 1859/1861 veröffentlicht wurden.


Kunst und Wissenschaft.

„Orbis laboris“, ist der Titel einer pädagogischen Zeitschrift die von Dr. Georgens und Frau v. Gayette, Vorstehern der Kinderheilanstalt Levana auf Schloss Zwölfaring, bei Wien herausgegeben wird und Beschäftigungen, Arbeiten und Spiele in Verbindung mit dem Unterricht, für Knaben und Mädchen von 3–14 Jahren, enthält. Die Erziehung durch die Arbeit zur Arbeit, ist der leitende Grundsatz, auf welchem das pädagogische System der Heilanstalt Levana beruht. Arbeiten und Spiele werden in derselben von gesunden und geisteskranken Kindern im Vereine mit Erwachsenen betrieben, und die erfreulichsten Ergebnisse, welche selbst bei idiotischen Kindern durch die Arbeitserziehung erreicht werden, lassen einen umso größsseren Erfolg bei allen geistig gesunden Kindern voraussetzen. Dieses System der Erziehung durch Arbeit fußt auf den Lehren Pestalozzi's, Fichte's und Fröbel's, und wurde von den um die Menschheit hochverdienten Vorstehern der Levana immer mehr ausgebildet. Mit der edelsten Selbstverleugnung haben sie ihr Leben der Entwicklung und Erziehung der Kinderwelt geweiht, besonders aber jenen Unglücklichen, in denen der geistige Funke, umnachtet durch krankhafte Anlagen, sonst vielleicht nie geweckt würde, oder bei denen es in Folge eines Überreizes der Zentralorgane nur irrlichtartig aufflackert. Die Direktion der Levana hat die Resultate ihrer wissenschaftlichen Forschungen und jahrelanger Erfahrungen bereits früher schon öfter veröffentlicht. Wir wollen aus verschiedenen ihrer Werke hier nur hervorheben: „Die Levanafiebel“, „Die Volksschule der Gegenwart“; „Das medizinisch-pädagogische Jahrbuch der Levana“ und „Die Heilpädagogik mit besonderer Berücksichtigung der Idiotie und der Idioten-Anstalten.“ Als Vorgänger des „Orbis laboris“ erscheinen bei Wenedikt in Wien vier Jahrgänge des „Social-pädagogischen Arbeiters.“. Im „Orbis laboris“ aber scheint die Direktion der Levana ihren ganzen Schatz reicher Erfahrung am Felde des so fruchtbringenden, intuitiven Arbeitsunterrichtes niederlegen zu wollen. Dieser Unterricht trachtet durch die Anschauung von Formen, an deren Herstellung das Kind selbst mitarbeitet, das Begriffsvermögen desselben zu wecken, zu stärken und auszubilden. Die verschiedenen Formgattungen, die in der Levana zur Darstellung kommen, sind die mathematische, die architektonische, die Werkzeug- und Gefäßform, die organische (Pflanzen-, Früchte und Tier-) Form, selbst die Zierform. Da wird ausgeschnitten, gebaut, genäht, geflochten, durchstochen, gepappt, mit Stäbchen und Erbsen dargestellt, ausgenäht, gezeichnet und ausgemalt, in Ton modelliert und gedrechselt. Selbst die Gartenarbeit wird zum Unterrichte der Kinder benützt, und die häufigen Wanderungen führen in den Wald, aufs Feld, zu großen Werkstätten, auf Holzplätze, an belebte, schiffbare Gewässer, je nachdem Ort und Gegend interessante Punkte für die Auffassung des kindlichen Vermögens bieten. – Das erste Heft des „Orbis laboris“ erschien bei Wenedikt in Wien im Monate Januar und behandelt das „Bauen“; beigegeben sind vier Tafeln „Bauformen“ in Farbendruck und ein Anhang pädagogisch-belletristischen Inhaltes, „die social-pädagogischen Blätter“. Und wenn wir hier darauf aufmerksam machen, besonders aber auf die Heilanstalt Levana selbst, so geschieht dies einen teils im Interesse der pädagogischen Wissenschaft, noch mehr aber im Interesse jener Familien, die da befürchten müssen, im häuslichen Kreise das Seelenleben eines Kindes, trotz eines oft blühenden physischen Wachstums desselben, niemals seine Keime entfalten zu sehen.


    Quelle: ohne Namen: Kunst und Wissenschaft, in Mährischer Correspondent , Brünn, Georg Gastl, 25. März 1864, Seite 5



1864

Interessant wird jedoch eine weitere Besprechung, denn sie gibt Einblicke in die Natur des Baukastens aus der Werbeanzeige:


Bücherschau

Orbis laboris. Beschäftigungen, Arbeiten und Spiele in Verbindung mit dem Unterrichte für Knaben und Mädchen in dem Alter von 3-14 Jahren. Von Dr. J. D. Georgens und Jeanne Marie von Gayette, Vorstehern der Kinderheilanstalt Levana. 1. Heft, das Bauen, Wien, Wenedikt, 1864.
Seit 7 Jahren erscheint von denselben Verfassern eine pädagogische Zeitschrift: „Der sozial-pädagogische Arbeiter“. Wir sind demselben seit Jahren mit Interesse gefolgt. Besonders war es das Prinzip, welches uns ansprach: die ganze Aufgabe der Erziehung als Tätigkeits-Regelung und Bedürfnis-Befriedigung der Jugend zu fassen. Die Schwierigkeit der Tätigkeits-Regelung ist leicht einzusehen, und das Verdienst der Verfasser besteht nun darin, durch die Erfindung bildender Spiele und Beschäftigungen jene geforderte Regelung zu ermöglichen. Nach ihrer Ansicht solle „schaffende Arbeit, theoretischer Unterricht und Spiel in organischen Zusammenhang gebracht werden“. Da gibt es Erbsen- und Papparbeiten, Stäbchenlegen, geometrisches Ausschneiden, Drahtflechten, Ringelegen, Ausnähen und Ausmalen; es wird gezeichnet, im Garten gearbeitet, auch werden wöchentlich Wanderungen vorgenommen. Als Erstes - vom 3.-5. Jahre - gilt das Bauen; ihm speziell ist das vorliegende 1. Heft gewidmet. 4 Tafeln erläutern Alles. Vorzüglich berücksichtigt werden architektonische Formen. Die Bausteine - es sind wirklich Steine - sind in vier Farben da; 1000 Stück kosten 20 Gulden; die auf den Tafeln in Abbildung gebrachten Muster sind der Art, dass man wohl versucht werden könnte, wieder selbst zum Baukasten zu greifen, den man für 2 1/3 Thaler von den Verfasser beziehen kann. Dass Kindergärtnern die Verfasser mit ihren Bestrebungen nicht fremd sind, das glauben wir; aber das genügt nicht, jede gebildete Mutter sollte diese Menge Mittel, ihre Kleinen anregend zu beschäftigen, kennen. Die Klage würde aufhören, dass man nicht weiß, was man mit den kleinen Quälgeistern anfangen soll. Auch der strebsame Elementarlehrer muss Notiz nehmen, um entweder manches hier Gebotene in die Unterklasse als Anschauungsunterricht hineinzutragen, oder um durch Kenntnisnahme den rechten Geist zu fühlen, der unter den Kleinen wirken soll.


      Quelle: ohne Namen: Bücherschau Orbis Laboris, in Allgemeine Deutsche Lehrerzeitung - 1864 (16), Heft 24, Leipzig, A. Berthelt, 12. Juni 1864, Seite 196

Da 1 Reichsgulden = 2/3 Reichstaler = 2 Mark ~ 10 Euro entsprechen, liegt der Kasten zu 2 1/3 Reichstaler = 3 1/2 Reichsgulden = 7 Mark = 35 Euro an der unteren Grenze der Preisspanne in obiger Anzeige, womit klar sein sollte, dass Anzeige und diese Beschreibung zusammengehören.

Dies ist die erste bekannte Erwähnung eines Steinbaukastens und dazu noch in Verbindung mit Georgens. Der 100 Stück Preis der Steine liegt bei 2 Gulden. Berücksichtigt man noch Kasten und Vorlagen (Das Orbis laboris Heft Bauen kommt z.B. 1/3 Reichstaler = 0,5 Gulden), könnte der Inhalt bei ca. 100 Steinen liegen. Und damit ist der Steinbaukasten geboren und in Verbindung mit Georgens gebracht. Sehr wahrscheinlich wurden die Steine und Kästen in der Levana selbst gefertigt. Zum Unterricht gehörten das Modellieren in Gips und Ton. Ausserdem gab es zur Berufsausbildung der älteren Zöglinge Lehrwerkstätten für Holz, Ton und Porzellan.

Es sieht so aus, als wenn das gesamte Grundkonzept und die Pädagogik des Steinbaukastens einschliesslich seiner Realisierung in der Levana ab ihrer Gründung 1856 erdacht wurde, was dann in seinem Erstverkauf 1863 mündete. Aus den Fröbelgaben wurde so der architektonische Baukasten, der auf den klaren Formen der Fröbelgaben basiert, diese einerseits durch Formen und Farben erheblich erweitert, andererseits sie aber auch wieder durch die Begrenzung auf die Architektor einschränkt. Wobei wir jedoch nicht nur Dr. Jan Daniel Georgens alleine sehen dürfen, sondern genauso den Rest der Führung der Levana - Jeanne Marie von Gayette und Heinrich Marinus Deinhardt - bei dieser Entwicklung mit einbeziehen müssen. Nur für Otto und Gustav Lilienthal ist dabei kein Platz mehr, sie waren damals doch etwas zu jung (1863 waren sie 15 bzw. 14 Jahre alt) und zu weit entfernt vom Ort des Geschehens, um darauf Einfluß zu haben. Ihnen kommt der Verdienst zu, eine bessere Steinmasse gefunden und ein Verfahren zur Herstellung der Bausteine daraus entwickelt zu haben. Zudem stammt das Kleinkaliber von ihnen.

1864

Es gab vom 'Orbis laboris' auch weitere Hefte:


Das Papierflechten der „Levana“, erste Stufe für Knaben und Mädchen im Alter von 5—7 Jahren (Kindergarten); zweite Stufe für das Alter von 7-9 Jahren (Elementarschule) als Heft 5 von Band I und Heft 4 von Band II des Orbis laboris von Dr. Georgens. Wien 1864 im Verlag der Levana.

Es sind dies nur zwei Bogen Flechtmuster, wie der Titel zeigt, aus dem größeren Werke Orbis laboris, von dem wir die ersten uns zugekommenen Hefte angezeigt haben, während uns seit langer Zeit einmal wieder diese Bogen übermittelt wurden. Sie sind sehr brauchbar und daher empfehlenswert. Ed. D.


    Quelle: Ad. D.: Buchbesprechung, Allgemeine Schulzeitung, Darmstadt, Karl Zimmermann, 28. Dezember 1864, Seite 418

Nach einer späteren Publikation zu urteilen, gab es folgende Ausgaben:

Heft 1: Das Bauen
Heft 2: Das Täfelchenlegen
Heft 3: Das Ringelegen
Heft 4: Das Stäbchenlegen
Heft 5: Das Flechten
Heft 6: Das Durchstechen
Heft 7: Das Ausnähen
Heft 8: Das Bildausschneiden

Einiges davon erschien auch in mehreren Auflagen, eventuell auch mit Änderungen.
 

1865

Ende 1865 verschwand Georgens aus Wien unter Hinterlassung von Schulden, wie diese Klage zeigt


Dr. J. Daniel Georgens
Bei den kaiserlich königlich städtischen delegierten Bezirksgerichte der inneren Stadt Wien hat Herr Ludwig Mayer, Buchdruckereibesitzer in Wien, durch Herrn Dr. AG. Weitel, wider Herrn Dr. J. Daniel Georgens, Inhaber der Heilanstalt "Levana" in Zwölfaring bei Schwechat, wegen Zahlung von 183 Gulden 68 Kreuzer österreichischer Währung c.c.s. Klage angebracht, worüber eine Tagsatzung auf den 11. Januar 1866 Vormittags um 10 Uhr angeordnet wurde.
Da dem Gericht der Aufenthalt des Herrn Geklagten nicht bekannt ist, so wurde auf seine Gefahr und Kosten Herr Dr. August Dürnberger, Hof- und Gerichts-Advokat in Wien, als Kurator bestellt, mit welchem diese Rechtssache nach Vorschrift der Gerichtsordnung ausgetragen werden wird.
Der Herr Geklagte hat daher an dem vorerwähnten Tage entweder selbst zu erscheinen, oder einen Bevollmächtigten namhaft zu machen, oder seine Behelfe dem aufgestellten Kurator mitzuteilen.
Wien, den 28. November 1865.



Quelle: Wiener Zeitung 5. Dezember 1865


1866

und auch diese, Georgens als Mietnomade, sein Vermieter in Wien wartet auch noch auf seine ausstehende Miete:


Jan Daniel Georgens.
Bei dem k. k. Bezirksamte Schwechat als Gericht hat Herr Konstantin Graf Gatterburg wider Herrn Dr. Ion Daniel Georgens wegen Zahlung eines rückständigen Mietzinses von 556 Gulden österreichischer Währung N. G. Klage angebracht, worüber eine Tagsatzung auf den 16. Februar 1866 Vormittags um 9 Uhr angeordnet wurde.
Da dem Gerichte der Aufenthalt des Herrn Geklagten nicht bekannt ist, so wurde auf dessen Gefahr und Kosten Herr Dr. A. Flesch, k. k. Notar in Schwechat, als Kurator bestellt, mit welchem diese Rechtssache nach Vorschrift der Gerichtsordnung ausgetragen werden wird.
Der Herr Geklagte hat daher an dem vorerwähnten Tage entweder selbst zu erscheinen, oder einen Bevollmächtigten namhaft zu machen, oder seine Behelfe dem aufgestellten Kurator mitzuteilen.
Schwechat, am 8. Januar 1866.



Quelle: Wiener Zeitung 21, Januar 1866


1866

Da Georgens Wien überstürzt verlassen musste, suchte er für einen zweiten Anlauf in Nürnberg einen Verleger für sein Beschäftigungsmaterial "Orbis laboris" und wurde fündig:


Pädagogik

Der bekannte Pädagoge Georgens, seit verflossenen Winter in Nürnberg lebend und strebend, um seine schriftstellerische Tätigkeit fortzusetzen, hat bei Carl Stark eine reiche Zahl von „neuen Beschäftigungen und Arbeitsmitteln“ herauszugeben.

Dr. Georgens: Orbis laboris.
(Der Jugend Spiel und Arbeit.)

Erste Serie: Der Kindergarten.
(Das Ganze der Beschäftigungen für Kinder im Alter von 3-7 Jahren.)
1. Der Levanabaukasten. Hierzu ganze und geteilte Würfel, Dach- und Turmformen, Säulen, Fensters, Tür- und Torbogen in 3 Farbentönen; ferner acht Tafeln künstlerisch zusammengestellte Bauformen in Farbendruck und Text mit Bausprüchen. - Preis per Stück fl. 2. 20 kr.
2. Das Täfelchenlegen. Dazu die nötigen Täfelchen in verschiedener Form und Farbe, nebst 8 Tafeln geometrischer Zierformen in 8 Farben gedruckt und anleitenden Text. - Preis per Stück fl. 2. 12 kr.

3. Das Ringelegen. Mit den dazu gehörigen Legestäbchen, 8 Figurentafeln, einer dunkelfarbigen Unterlage und Text. - Preis per Stück fl. 1. 45 kr.
4. Das Stäbchenlegen. Mit den dazu gehörigen Legestäbchen, 8 Figurentafeln, einer dunkelfarbigen Unterlage und Text. - Preis per Stück 36 kr.
5. Das Papierflechten. hierzu hellfarbige Flechtblätter, dunkelfarbige Streifen und eine messingene Flechtnadel; Ferner 4 farbig gedruckte Mustertafeln und Text. - Preis per Stück 48 kr.
6. u. 7. Das Durchstechen und Ausnähen. Mit 18 auf Karton aufgezogenen Figurentafeln und Text, einer Filzunterlage, den nötigen Durchstech- und Ausnähnadeln, und zwölf verschiedenen Wollfarben. - Preis per Stück fl. 1. 12 kr.
8. Das Bildausschneiden. Beigegeben sind: Text, 8 Tafeln mit Umrissbildern zum Nachschneiden und 8 Tafeln weiße Bilder auf schwarzem Grund, ferner eine Schere und drei Hefte zum Aufkleben der nach- und freigeschnittenen Bilder. - Preis per Stück fl. 1 - kr.
9. u. 10. Das Stiftzeichnen und Tonformen. Hierzu Text und Figurentafeln, Schiefer, Stift und Modellierbrettchen. - Preis per Stück 48 kr.

Zweite Serie: Die Knaben- und Mädchenschule

1. Das Papierflechten. (Stufe II.) Mit Flechtblättern und farbigen Flechtstreifen, einer messingenen Flechtnadel, 4 Mustertafeln in Farbendruck und Text. - Preis per Stück 48 kr.
2. Das geometrische Ausschneiden. (Stufe I.) Als eine Grundlage für das geometrische Zeichnen und die geometrische Formentehre. Mit 12 Tafeln geometrischer Zierformen nebst Text, einer Schere und dunkelfarbigem Papier zum Aufkleben der ausgeschnittenen Figuren. - Preis per Stück 1 fl.
3. Die Schule des Ausmalens. (Stufe I.) Als Grundlage für eine praktisch-ästhetische Farbenlehre. Mit 10 Musterblättern im reinsten Farbendruck; dazu die nötigen, schwarzen Umrisse zum Ausmalen; ferner Pinsel, Farben und Text. - Preis per Stück fl. 1. 20 kr.

Der Herr Verlagsbuchhändler scheint aber diese Stoffe wenig oder gar nicht verbreitet zu haben; sonst müssten sie in Deutschland und in der pädagogischen Welt bekannter sein. Frau von Marenholtz-Bülow hat in ihrer soeben erschienenen Schrift: „Die Arbeit und die „neue“ Erziehung", Georgens nicht einmal erwähnt und behandelt doch mehr und minder denselben Gegenstand. Allein auch ihre Schriften sind nicht gehörig bekannt geworden, obwohl sie selber unendlich wirkt und ihre spezifischen Ansichten auszubeuten weiß. Die Leute sollten mehr zusammenhalten, statt sich ignorieren oder wohl gar anzuklagen, beachten und sich in ihren ähnlichen Bestrebungen unterstützen. Es ist ohnehin in Deutschland hoch an der Zeit, sich nicht durch einseitige Einzelbestrebungen aus dem Ganzen herauszureißen. Fern ist sie nicht mehr die Zeit, dass die Pädagogik befiehlt, wie sich die Parteien verhalten müssen, um zum Ziel zu gelangen, namentlich in der Kindergarten Sache, die sich hier und da doch zu sehr brüstet und sich notorisch überschätzt. Dulon, der Amerikaner, gibt auf S. 431 seiner merk- und denkwürdigen Schrift über „Kindergärten“ scharfe, obwohl auch einseitige Auskunft und hält die Watsack'sche Kinderbewahranstalt (S.432) „für einen Gottessegen" An die Verlagsbuchhandlung Carl Stark wird das Ersuchen gerichtet, ihren Georgens'schen Verlagsartikeln weitere Verbreitung zu verschaffen, damit sie verglichen und - wenn zweckmäßig - berücksichtigt und angewendet werden können.



Quelle: Allgemeine Schulzeitung, Band 43, 1866, Diehl


Die Beschreibung ist ausführlicher als in der Anzeige von 1863. Es scheint auch eine Entwicklung stattgefunden zu haben. Es sind jetzt 10 Positionen statt 4, hinzugekommen ist u.a. das Täfelchenlegen. Beim Baukasten werden Steinformen aufgezählt, es wird wie bei den späteren Anker-Steinbaukästen von Steinen in 3 Farben geschrieben. Während 1864 im Orbis Laboris nur von 4 Farbtafeln die Rede ist, sind es nun 8, eventuell gab es noch ein Textblatt oder es waren Texte auf den Tafeln. Der Preis ist etwas günstiger wie 1863. Anzunehmen ist trotzdem, dass es sich immer noch um "echte Steine" handelt.




1866

In einer Zeitschrift erscheint eine Besprechung zu diesen Beschäftigungsmaterialien von Georgens, wo sie näher erläutert werden. Die Annahme, dass es sich bei den bei Carl Stark erhältlichen Materialien um Ausführungen in Holz handelt, findet, so scheint es, eine Bestätigung.


3. Die Mittel für Unterricht, Beschäftigung, Spiel und Arbeit von Dr. Georgens und M. v. Gayette.
Mit diesen, von einem für Volkserziehung begeisterten Meister gebotenen Material will die Cornelia die Familie im Hause und für die Mußezeit der Kinder tatsächlich unterstützen. Sehen wir diese Mittel daher, selbst wo sie zum Teil Bekanntes geben, näher an, da sie auch dieses in einer solchen Weise und durch so geschmackvolle Vorlagen benutzen lehren, dass sie viele ähnliche Unternehmungen durch Einheit und feine Durchführung des Prinzips weit übertreffen.
Diese Mittel bieten
1) Baukästen mit Vorlagen . Aus weißem, rotem und schieferblauem Holz gearbeitet enthalten sie nur den Würfel in Diagonalen und paralleler Teilung, ferner die vierkantige und runde Säule und den Bogen. Die farbigen Vorlagen lehren einzelne Steine zusammenlegen bis endlich der ganze Kasten, ja selbst 2 – 3 Kästen in einem Bau zur Verwendung kommen, so dass die Kinder zur Gemeinsamkeit ihrer Unternehmungen geführt werden. Jede gewonnene Form ist aber Bild eines im Leben vorkommenden gewerblichen oder Kunstgegenstandes, und die zusammengesetzten Bauten zeigen alle eine historisch wichtige Form in ihren wesentlichen Grundzügen. Die roten Klötzchen repräsentieren den roten, die weißen den hellgefärbten Sandstein.
2) Eine verschließbare, buchartige Mappe mit Stäbchen von 2 1/2, 5 und 10 Zentimeter Länge und schwacher Bleistiftstärke. Eine Papptafel dient zur Unterlage für die Ausführung der geschmackvollen Vorlagen, welche vom Einfachen ausgehend, (Kreuze, geometrische Figuren, Häuser etc.) bis zur Ausführung von der Astbildung der Bäume fortschreiten.
3) Das Ringelegen. Dieses gibt in einer Mappe wie die vorige versilberte Halbkreise von Kupferdraht in zwei Größen und wiederum eine reiche Auswahl von Mustern auf Vorlagen, um die Bogenlinie im Relief verwenden zu lehren.
Das 4 . Mittel sind:
Stiftübungen. Auf Verlangen sind die ersten Übungen mit dem Schieferstift gegeben, welche ausser der Nachahmung der mit den Stäbchen und Ringen gelegten Figuren einen Vogel etc. in einem Zuge machen lehren, was ja den kleinen Kindern immer so außerordentliche Freude macht und die Hand zur Beweglichkeit und Biegsamkeit gewöhnt.
Hieran schließt sich
5) Das Modellieren in Ton, das Früchte und andere einfache Dinge in weichem Ton darstellen lehrt, hierzu Vorlagen bietet und die jugendliche Phantasie veranlasst, die Formen der Zeichnung sich ins Plastische zu übersetzen. Für die weitere, bloß gedachte Form (für Geometrie und Technik, Architektur, Tischlerei etc.) bereitet.
6) Die Erbsenarbeit vor. An den Enden zugespitzte Hölzchen werden in etwa 24 Stunden lang eingeweichte Erbsen, die ihre Rinde noch haben, befestigt und von der trocknenden Erbse festgehalten. Vom Stern und Kreuz ausgehend werden Geräte, Bauwerke, Kristalle, mathematische und andere Körper ausgeführt, deren Stäbchen die Kantenlinien des dargestellten Körpers angeben. Ist in diesen Mitteln der Geist mit ebenen, Relief- und plastischen Vorstellungen angeregt, so tritt
7) Die Farbentafel hinzu. Ein dauerhaftes hübsches Schubkästchen enthält Vorlagen und eine außerordentliche Menge Holztäfelchen, welche in sorgfältigster Ausführung das Quadrat, gleichseitige und rechtwinklige Dreieck und jedes noch einmal von der Höhe nach dem Grunde halbiert enthalten. Beide Seiten der Täfelchen zeigen Farbe und feine Politur, aber wie die Formen auf 5 Arten, so ist die Farbe außer schwarz und weiss auf die 3 Hauptfarben blau, rot und gelb und deren Zwischenfarben grün, lila und orange beschränkt. In farbigen Mustern zeigen die Vorlagen einen außerordentlichen Reichtum von Formen, die den früheren so weit als tunlich entsprechen.
Ist das Auge mit Form und Farbe vertraut, so soll es die bis jetzt in leicht zerstörbarer Weise hergestellten Dinge fixieren lernen, und Vorlagen lehren nun.
8) Das Durchstechen, bei dem die Formen in Papier mit Hilfe einer Nadel (in einfachem Holzstiel) ausgestochen werden, und vor ein Licht gehalten die Formen als illuminiert erscheinen lassen. Ist das Ausstechen in steifem Papier geschehen, so lassen sich die gewonnenen Formen weiter benutzen zum
9) Ausnähen. Die Wahl der Farbe soll nun selbstständig nach Naturbeobachtung geschehen, darum hören nun die Vorlagen auf, die, auch bei allen früheren Stufen dem Kinde nur Grundformen bis zu einer gewissen Fertigkeit aneignen sollen, um es bei der eignen Gestaltung vor dem Verfallen in das Regellose, Phantastische, Geschmacklose, und Hässliche zu bewahren.
10) Neben diesen Übungen geht das Flechtblatt her, bei dem schmale Papierstreifen durch ein, in gleiche Streifen geschnittenes, am Rande zusammenhängendes Blatt so gezogen werden, dass durch Über- und Unterziehen Muster entstehen aus buntfarbigem Papier. Auf der letzten Stufe wird über einen Rahmen ein Flechtband ohne Ende gewickelt und zwischen diesem durch senkrechtes Durchziehen ein Muster gewirkt, so dass ein rundes Gewebe entsteht, das zum Überzug über einen Papierkorb etc. sich vortrefflich eignet, und das Kind anleitet, seine Tätigkeit für die Familie nutzbar zu machen. Ja für bedrängte Familien bietet sich hierin ein Bildungsmittel, das dem Kinde einen kleinen Erwerb zu Gunsten der Familie erhoffen lässt.
Ist die Hand so sicher, dass man ihr die Schere anvertrauen kann, so bietet 11) das Ausschneiden ein treffliches weiteres Beschäftigungsmittel. Nach Vorlagen werden die einfachen Formen, in Papier ausgeschnitten und für das Kolorieren auf steifes Papier aufgeklebt. Gefäße, Früchte bilden die 2. und 3., Tiere die 4. Stufe.
Aber, um aus einem Teile sich ein Ganzes vorstellen zu lernen, lehrt das geometrische Ausschneiden, eine Figur auf ein Stück eines mehrfach zusammengefalteten Quadrates zeichnen und diese Zeichnung ausschneiden, so dass diese Form sich im nachher entfalteten Quadrate, als Motiv eines Musters so oft wiederholt, als das Blatt zusammen gelegt war. Auf Ausführungen in geraden Linien folgen gleichartige im Kreise. Die Überraschung, aus einem Teil ein schön gestaltetes Ganze entstehen zu sehen, reizt dann das Kind zu eignen Erfindungen , und liegt für den Musterzeichner etc . als Vorschule nahe, ja ist, in seinen Wirkungen ähnlich dem Kaleidoskop und Debuskop, das z.B. von den Blättern: „Aus der Heimat“ erst wieder neuerdings warm empfohlen worden ist.
Diese Mittel werden nun geboten in: Bildewerkstatt von Dr. Georgens und Jeanne Marie von Gayette. Band 1. und 2. Glogau bei Flemming.
Beide Bände geben ein reiches Material und sind außer Müttern besonders auch für die Hand von Bonnen, Kinderwärterinnen und Kindergärtnerinnen zu empfehlen , welche ihre Zöglinge, und Pfleglinge verständig beschäftigen wollen, indem die Werke für Natur- und Kunstbetrachtung ein reiches Material bieten.
Die Baukästen, (2 Thaler) Farbentafeln, (2 Thaler) das Stäbchenlegen, (18 Neugroschen) das Ringelegen (1/2 Thaler) sind in vortrefflicher Weise von der Fabrik des Herrn Carl Stark in Nürnberg (Turnstraße 7) ausgeführt und in Leipzig durch die Buchhandlungen von G. Gräbner, Johannisgasse, und Priber, Schillerstraße zu erhalten, und sind sicher in allen den Familien, welche sittliche Kraft genug haben, ihre Kinder zur Ausführung der Vorlagen zu bestimmen, von segensreichen Folgen, indem die Kinder dann bei der liebgewonnenen Beschäftigung sich nach ihrer Individualität in eignen Formerfindungen üben werden.
W.



Quelle: Cornelia. Zeitschrift für häusliche Erziehung: Unter Mitwirkung der Herren Lanckhard, Eckstein, (etc.), Band 5, Winter'sche Verlagshandlung, 1866 – Seite 148 ff






Um
1866

Dass diese Beschäftigungsmaterialien tatsächlich verkauft wurden, zeigt ein Täfelchenlegen, das 2013 bei einer Auktion neben einigen vermutlich Batima-Bausteinen als Zugabe zu einem Bilderwürfelpuzzle verkauft wurde (für um 50€) - im Originalkasten mit 8 Modellblättern bei einem fehlenden Stein. Es muss aus der Nürnberger Serie stammen, da es 1863 noch nicht unter den aufgeführten Materialien dabei war. Die Auktionsbilder sind nicht besonders gut, aber gerade noch lesbar. Bedauerlich wurde der Inhalt des Kastens nicht gezeigt.


LEVANA
ORBIS LABORIS
1. Serie
Der Kindergarten
Das Täfelchenlegen
Eine Beschäftigung für Kinder im Alter von 3 bis 7 Jahren
von Jan Daniel und Jeanne Marie Georgens


      Quelle: Auktionshaus Morel de Westgaver, Brüssel, Belgien, Auktion vom Juni 2013, Los 128

Die Angaben „Orbis laboris“, „Der Kindergarten“, „1. Serie“, „Das Täfelchenlegen“ entsprechen genau den Angaben in der Produktvorstellung aus „Allgemeine Schulzeitung, Band 43, 1866“ . Das Ganze ist bereits dreisprachig - englisch - Children Garden - und französisch - Le jardin d'enfants - angelegt.

Die sichtbare Vorlage zeigt Täfelchenlegen-Steine in 6 Farben: rot, grün, blau, gelb, orange, violett und 4 Formen: Quadrat, gleichschenklige rechtwinkliges Dreieck, gleichseitiges Dreieck, rechtwinkliges Dreieck (halbiertes gleichseitiges Dreieck). Bedauerlicherweise gibt es kein Bild von dem Steininhalt.


1867

Eine Anzeige eines weiteren Händlers im Folgejahr:


Als Festgeschenk für Kinder empfehle ich die Spiele und Beschäftigungen des Levana-Kindergartens. Verschiedene schöne Baukästen von 24 kr. an bis zu 2 fl. Mosaikspiele von 12 kr. bis 1 fl. 24 kr. Stickkästchen, Ringe- und Stäbchenlegen, Flechten und Ausschneiden, sowie noch viele andere nützliche Arbeiten für Kinder. Sämtliche Gegenstände liegen alle Zeit für Jedermann zur Einsicht auf.
Georg Mößel, Hirschengasse Nr. 23



Quelle: Fürther Tagblatt, 22.12.1867


Im gleichen Haus war auch der Levana-Kindergarten untergebracht, den Georgens dort gründete

1869

Joseph Gruber, der schon Artikel für Georgens Publikationen "Orbis laboris" und deren Vorgänger lieferte, schreibt 1869 ein Buch, in dem er Stellung gegen die 'Fröbelei' nimmt, und beschreibt, wie man es seiner Meinung nach besser machen sollte. Dieses Buch ist hier besonders interessant, weil er dabei reichlich Bezug auf die Arbeiten im "Orbis laboris" und von Georgens nimmt. Höhepunkt ist dabei die Erwähnung, dass Georgens für Bausteine und die Steine für das Täfelchenlegen eine Steinmasse verwendet, gegossen oder gepresst!

Dieses Buch erschien immerhin in zwei Auflagen 1869 und 1873, die Verlagsänderung beruht auf einer Verlagsübernahme


Es müssen also dem bauenden Kinde mehr als acht Würfel, vorgelegt werden, und dann nicht bloß Würfel, sondern auch Säulen, einfache und doppelte Würfelplättchen, Bogen, Dach und Turmformen.
Betrachten wir nun das Material, woraus die Bauwürfel, Bausäulen u. bestehen. Fröbel ließ die sogenannten Bauklötzchen von Holz anfertigen. Andere, wie z.B. Dr. Georgens, erfanden eine Masse, welcher sie weiße und rote Farbentöne verliehen. Diese Masse wird in verschiedene Formen gegossen, so dass daraus Würfel, vierseitige Ecksäulen, Prismen, Platten von halber Würfelstärke und endlich noch Bogen, welche den oberen Teil von Brücken, Fenstern, Türen und Toren darstellen, hervorgehen. Die bezeichneten Baustücke haben in erforderlicher Menge vorhanden zu sein. Würfel können die größere Anzahl ausmachen; nach diesen die vierseitigen Ecksäulen; die übrigen Bausteine in geringerer Anzahl.
...
Es gibt eckige und runde Türme. Für erstere besitzen wir schon die vierseitigen Ecksäulen, für letztere müssen wir uns nach einer neuen Gestalt umsehen, nämlich der Walze. Die Walze ist ein neuer Körper, ein neuer Baustein, welchen wir beim Bauen in Anwendung bringen. Bedürfen wir bei der vierseitigen Ecksäule als Aufsatz der vierseitigen Spitzsäule, so bei der Walze als Aufsatz des Kegels, wieder eines neuen Bausteines. Es wird aber wohl auch angehen, dass man auf eine Ecksäule einen Kegel, auf eine Walze eine Spitzsäule setze.





Welche Formen sollen vor allem die Täfelchen haben? Dies ist eine wichtige Frage, die wir aufwerfen, sobald wir das Wort Beschränkung ausgesprochen. Wir wählen das Quadrat, das in zwei gleiche Teile mittelst der Diagonale geteilte Quadrat, also gleichschenklige Dreiecke, dann gleichseitige Dreiecke, und diese von der Spitze nach der Mitte der Basis halbiert. Die Täfelchen können von Holz, von Pappe oder aus einer Steinmasse sein; im letzten Falle können sie gepresst oder gegossen werden, wie sie Dr. Georgens auch ausführen lässt.
Die Farben, welche beim Täfelchenlegen zur Verwendung kommen können, sind: gelb, blau und rot; grün, violett und orange. Schwarz und Weiß können als Abscheidungsfarbe dienen. Die Farbe der Täfelchen darf keinen Glanz haben, sondern muss matt aber gesättigt sein, so dass das Auge dieselbe vollkommen genießen kann.


  Quelle: Joseph Gruber. Die Pädagogik des Kindergartens und der Bewahranstalt, Leipzig, Ernst Heilmann, 1869 und 1873

Auffällig ist, dass es eine dritte Bogenform gibt, den Torbogen. Dafür wird die Dachkuppel nicht erwähnt oder auf den Tafeln gezeigt.

1873

Noch 1873 wirbt Georgens für dieses Beschäftigungsmaterial in einer Arbeit, die er im Auftrage der Königlichen Ausstellungskommission für deutsches Unterrichtswesen ausgeführt und ausgestellt auf der Wiener Weltausstellung:


Hiernach sind die Bildungsmittel des Kindergartens:
1) Die formendarstellenden Beschäftigungen, nämlich: das Bauen, das Ringe-, Täfelchen- und Stäbchenlegen, das Flechten, Durchstechen, Ausnähen und das Bildausschneiden, die Stiftübung und das Ton kneten.
2) Das gymnastische und das rhythmische Bewegungs- oder einfache Singspiel.
3) Das Erzählen und das Bildbetrachten.

...

Die Lehrgänge zu den geregelten Beschäftigungen des Kindergartens mit dem nötigen Material dazu sind unter dem Titel: Georgens "Orbis laboris" im Verlage von Karl Stark in Nürnberg 1866 erschien.


  Quelle: Der Volksschulgarten und das Volksschulhaus, Jan Daniel Georgens, Henschel, 1873 - Seite 159



Weiterhin gibt es in diesem Buch eine Literaturliste von Georgens (Seite 188ff):


Literatur.

Die Neugestaltung der Volksschule und ihrer Nebenanstalten oder die Aufgabe der Gegenwart in pädagogischer Richtung, wie sie in der vorliegenden Broschüre nur kurz charakterisiert werden konnte, ist in den folgenden Schriften nach der einen oder andern Seite ausführlich dargestellt:

Georgens:
– Der Zeitgeist und die Schulen. 1840.
– Die Besserungsanstalten in der Schweiz und die Oswald-Colonie in Straßburg. 1843.
– Die hundertjährige Pestalozzifeier in Mannheim. 1846.
– Die Besserungsanstalt Neuhof bei Straßburg. 1847.
– Die höhere Bildungsanstalt für die weibliche Jugend in Worms. (Grundsätze, Aufgabe, Klasseneinrichtung, Schulgarten.) 1848.
– Vier Jahre Forscherleben mit Karl Schimper. 1849.
– Das Buch der Familie. 1850.
– Der erste süddeutsche Kindergarten und die weibliche Fortbildungsanstalt in Baden-Baden. 1851.
– Ein Spielfest im Schulgarten zu Baden-Baden. 1851.
– Die Weihnachtsfeier und die Bedeutung der Arbeit für die Erziehung. 1851.
– Salles d'asyle. Briefe aus Paris. 1852.
– Das Mauthner'sche Kinderspital in Wien. 1853.
– Eröffnungsfeier der Gräflich Deym'schen Erziehungs-Colonie im Schlosse Nemischl in Böhmen bei Tabor. (Darlegung der Grundsätze. – Das Gartenleben. – Die Werkstatts-Arbeiten. – Das Spiel. – Das Familien- und Schulmuseum.) 1853.
– Die illustrirten Monatshefte für die höheren Interessen des deutschen Familienlebens. 1853–56.
– Die Musterkrippe. Briefe aus Paris. 1854.

Unter Mitwirkung von J. M. von Gayette und H. Deinhardt:
– Die Bildewerkstatt für die Jugend. Zwei Bände. 1856 und 1859.
– Die Aus- und Zuschneideschule. Heft 1–6. 1856 und 1857.
– Der social-pädagogische Arbeiter. Zeitschrift für die Volksbildung. 1856–63.
– Das Sternbilderbuch und die Sternbilderkarte. 1858.
– Medicinisch-pädagogisches Jahrbuch der Levana. 1858.
– Die Levana-Fibel. Erstes Sprach- und Lesebuch. 1858.
– Social-pädagogische Studien und Kritiken. 1858.
Erstes Heft, mit einem Schulgartenplan, der allgemeinen deutschen Lehrerversammlung vorgelegt;
zweites, dem internationalen Wohlthätigkeits-Congresse in Frankfurt am Main gewidmet.

Georgens und Deinhardt:
– Die Heilpädagogik. Zwei Bände. 1862 und 63.

Georgens und Jeanne Marie von Gayette-Georgens:
– Orbis laboris. Die planmäßig-geordneten Beschäftigungen des Kindergartens. 1865:
1) Der Levana-Baukasten. –
2) Das Ringelegen. –
3) Das Stäbchenlegen. –
4) Das Täfelchenlegen. –
5) Das Flechten. –
6) Das Durchstechen. –
7) Das Ausnähen. –
8) Das Bildausschneiden. Die Stiftübung und das Thonformen
– „Der Kosmos der Arbeit.“ (Die Schulen der Formen-Arbeiten für die Volksschule). 1866 und 67:
1. Die Schule des Flechtens. In drei Stufen. 12 Tafeln in Farbendruck.
2. Die Schule des Ausnähens. In drei Stufen. 36 Tafeln.
3. Die Schule des Bildausschneidens. In vier Stufen. 72 Tafeln.
4. Die Schule des Stäbchenauflegens und Verschränkens. Eine Stufe. 16 Tafeln.
5. Die Schule des geometrischen Ausschneidens. Vier Stufen. 72 Tafeln.
6. Die Schule des Auflegens farbiger Flächen zu Zierfiguren. Eine Stufe. 12 Tafeln.
7. Die Schule des Stäbchenverknüpfens. Eine Stufe. 4 Tafeln.
8. Die Schule des Papierfaltens. Eine Stufe. 4 Tafeln.
9. Die Schule des Papierverschnürens. Eine Stufe. 4 Tafeln.
10. Die Schule der Erbsenarbeit. Zwei Stufen. 16 Tafeln.
11. Die Schule des Drahtflechtens. Eine Stufe. 12 Tafeln.
12. Die Schule des Ruthenflechtens. Eine Stufe. 12 Tafeln.
13. Die Schule des Holzschnitzens. Eine Stufe. 12 Tafeln.
14. Die Schule der Papparbeit. Eine Stufe. 12 Tafeln.
15. Die Schule des Ausmalens. Drei Stufen. 24 Tafeln.
16. Die Schule des Modellirens. In drei Stufen. 72 Modelle.
17. Die Schule des Zeichnens. In drei Stufen. 60 Tafeln.
– Die Schulen der weiblichen Handarbeiten. (Stylvolle Muster vorlagen nach klassischen Motiven.) 1868:
1. Die Schule der Linienverzierungen. (Der Contourstich. – Das Durchziehen in Tüll. – Das Litzenauflegen.) 12 Tafeln.
2. Die Schule der Kreuzstichstickerei und der Perlenarbeit. 12 Tafeln.
3. Die Schule der Plattstichstickerei. (Weiß- und Buntsticken.) 12 Tafeln.
4. Die Schule des Zusammensetzens, der Nahtstickerei und der Saumverzierungen. 12 Tafeln.
5. Die Schule der Applicationsstickerei.
6. Die Schule des Strickens und Häkelns, der Filet-, Knüpf und Spitzenarbeiten. 12 Tafeln.
– „Die Frauenarbeit“. Zwölf Lieferungen mit je zwei farbigen Mustertafeln. 1869–70.
– Unter den Kindern. Vier Hefte mit vielen Illustrationen und bunten Beilagen. 1871–72.

Jeanne Marie von Gayette-Georgens:
– Maximus Casus. Pädagogische Cartons. 1858.
– Der Geist des Schönen in Kunst und Leben. Praktische Aesthetik für die gebildete Frauenwelt. 1870.
– Sich Selbst erobert. Ein weibliches Mädchenleben. 1871.
– Die Frauen in Erwerb und Beruf. Mit 6 Bildern von Prof. Hausmann. 1872.







1873

Damit nicht nur Georgens zu Wort kommt, hier die Erwähnung seines Baukasten durch den Schulmann H. Mors, Seminardirektor und Waisenvater zu Winterthur, in einem längeren mehrteiligen Artikel über Friedrich Fröbel und die Kindergärten:


Der Beschäftigungen am Tisch sind sehr viele. Ich er wähne nur der hauptsächlichsten:
1..Die Bauspiele. Fröbel verwirft, namentlich für den Anfang jene üblichen Baukästen, die fertige Formen für Türen, Fenster, Bogen etc. enthalten. Dem Gestaltungstrieb des Schülers sollen nicht von vorneherein die Flügel gebunden werden.
Das erste Kästchen enthält einen nach jeder Richtung hin einmal geteilten Würfel, so dass 8 gleiche kleinere Würfel entstehen. Zuerst wird der Baustoff, welchen das Kleine in der Hand hält, besprochen. Dann folgt Gestaltung der Formen. Das Kind baut aber nicht ohne Führung, plan- und zwecklos, sondern schafft, von der Gärtnerin geleitet, die methodisch geordneten Formen. Fröbel unterscheidet auf jeder Stufe Lebens- oder Sachformen, welche Gegenstände des täglichen Lebens darstellen; Schönheitsformen, bei deren Bildung bloß das Gesetz des Schönen waltet, und Erkenntnisformen, in denen vorzüglich Maß- und Größenverhältnisse zur Anschauung gebracht werden sollen. Mit diesen 8 Würfeln stellt Fröbel 40 hübsche Lebensformen dar, vom Tisch bis zum Stadtthor und zur Kirche, 60 Schönheitsformen in gesetzmäßigen Entwickelungsreihen und so fort.
Das zweite Kästchen bietet einen durch einen senkrechten und drei waagrechte Schnitte in 8 Längentäfelchen geteilten Würfel. Die daraus sich gestaltenden Formen sind schon reicher, anziehender und interessanter.
Das dritte bringt den Kleinen den nach jeder Richtung zwei Mal geteilten Würfel, also 27 kleine gleiche Würfel ; drei davon werden durch eine Diagonale halbiert, 3 durch zwei Schnitte gevierteilt; so entstehen 39 Formen, nämlich 21 ganze Würfel, 6 Würfelhälften und 12 Würfelviertel.
Man staunt über den Reichtum von Lebens- und Schönheitsformen, die sich aus dieser Gabe bilden und erschaffen lassen.
Darauf folgt der in 27 Längentafeln geteilte Würfel, von denen 18 ganz, 6 durch einen Querschnitt in je zwei Gevierte, 3 durch einen Längenschnitt in je zwei Säulchen geteilt sind, was im Ganzen 36 Stücke ausmacht. Von Gabe zu Gabe steigert sich der Gehalt der Gebilde. Den Schluss bildet der von Dr. Georgens konstruierte, reiche Baukasten mit den Formen des gotischen und italienischen Baustiles, der dem Gestaltungstrieb den freiesten Spielraum gestattet, und die bauenden Kleinen in freudige Begeisterung versetzt.


  Quelle: Preußisches Schulblatt. V. Heft 5. 1874, Seite 273





1874

Bis zum Gegenbeweis ist anzunehmen, dass diese Kästen dem Fröbelschen zölligen Grundmaß folgten. Das metrische System wurde in den deutschsprachigen Ländern in Deutschland 1872 (Gesetz vom 17. August 1868 für den Norddeutschen Bund, 29. April 1869 für die süddeutschen Länder), in Österreich 1876 (verbindlich, Gesetzesveröffentlichung 1871), in der Schweiz 1877 (legalisiert 1868, durch Bundesgesetz von 1875 verbindlich erklärt) eingeführt. Der Fröbelschüler Goldammer lässt sich darüber aus:


Da der ganze Würfel dem der dritten Gabe gleich ist, so beträgt die Dicke eines Bauklötzchens eine halbe Teilwürfellänge, seine Breite eine ganze Würfellänge und seine Länge zwei Würfellängen. Der Teilwürfel der dritten Gabe ist aber die Maßeinheit für alle Fröbel'schen Spielgaben. Er soll gleichzeitig die im Leben gebräuchliche Maßeinheit repräsentieren. Gute Baukästen waren deshalb bisher so gearbeitet, dass die Kante eines Teilwürfels genau einen Zoll rheinländisch lang war; der Würfel war also einen Kubikzoll groß. Danach richteten sich auch die Größenverhältnisse der Längentäfelchen der vierten Gabe. Der Inhalt jeder einzelnen betrug gleichfalls 1 Kubikzoll, aber sie waren 2 Zoll lang, 1 Zoll breit, 1/2 Zoll dick. Bei Einführung des Metermaßes wird sich eine so einfache Maßeinheit nicht auffinden lassen, wahrscheinlich werden die Gaben in Zukunft so gearbeitet werden, dass die Würfelkante 2,5 Zentimeter lang ist, die Kanten des Längentäfelchens der vierten Gabe dagegen 5 - 2,5 und 1,25 Zentimeter.

  Quelle: Der Kindergarten - Handbuch der Fröbel'schen Erziehungsmethode, Spielgaben und Beschäftigungen, Hermann Goldammer, 3. Auflage, 1874, Lüderitz'sche Verlagsbuchhandlung, Berlin, Seite 133


1878

In diesem Jahr erscheinen Anzeigen von Richter's Verlagsanstalt für ein Kunstjournal von Georgens "Der Jugend Spiel und Arbeit", ein Titel, der bereits 1866 als Untertitel für "Orbis laboris" verwendet wurde.


Mit dem neuen Jahre erscheint in unserem Verlage eine Monatsschrift, betitelt:
Der Jugend Spiel und Arbeit.
Pädagogisches Kunstjournal
herausgegeben von
Dr. Jan Daniel Georgens und Jeanne Marie v. Gayette-Georgens.
Dieselbe hat den Zweck der Jugend vom Kindergartenalter an bis zur Entlassung aus der Schule alle die Beschäftigungen und Unterhaltungen zu bieten, welche geeignet sind, den Sinn für das Schöne und Edle zu bilden Die Monatsschrift „Der Jugend Spiel und Arbeit" wird sich von allen anderen dadurch unterscheiden, dass sie teilweise in Buntdruck erscheint, um auch den Farbensinn bei Kindern zu wecken und gleichzeitig denselben die Freude an der einmal begonnenen Unterhaltung und Beschäftigung dauernd zu bewahren. Die bereits weit und breit bekannten Herausgeber, welche schon viele Jahre auf diesem Gebiet in anerkannte Weise wirken und schaffen, werden sich bemühen, stets das Beste zu bringen, und ist die Verlagsbuchhandlung ihrerseits durch Gewinnung der besten künstlerischen Kräfte in der Lage für gediegenste Ausstattung zu garantieren.
Der Abonnementspreis (1 Mark 50 Pfennig pro Quartal) ist ein so billiger im Verhältnis zur Ausstattung, dass jede Familie, wenn auch weniger bemittelt, in der Lage sein wird, für die Kinder zu abonnieren. Die geringen Kosten werden gewiss die schönsten Früchte in der Ausbildung der Kinder tragen. Durch diese Monatsschrift wird auch der sich einschleichenden Kolportage-Romanliteratur ein Damm gesetzt, da den Kindern eine nützliche, und den Eltern und Erwachsenen jedes Mal auf der inneren Seite des Umschlags eine belehrende Unterhaltung geboten ist. Außerdem finden gewiss die Erwachsenden eine Freude darin, dass sie die Arbeiten der Kleinen zeitweise überwachen und sich selbst dabei unterhalten. Die Monatsschrift „Der Jugend Spiel und Arbeit“ bringt alles was nur ein Kind unterhalten und bilden könnte, als Spiele, Erzählungen, Flechten, Zeichnen, Ausmalen und Modellieren, sowie zu weiblichen Handarbeiten.
Wir kommen mit dieser Monatsschrift den Kindergartenfreunden, die ja an Hunderttausend zählen, den Lehrern und Lehrerinnen etc. entgegen und gewiss wird dieselbe sich bald in alle Familien, wo Kinder sind einbürgern. Prospekt und Heft 1 liegt in jeder Buchhandlung zur Einsicht offen und werden daselbst Abonnementsbestellungen angenommen.
Leipzig. Richter's Verlags-Anstalt.



Quelle: Biela-Zeitung, V. Jahrgang, Nr. 2, Bilin, 12. Januar 1878, Seite 7


einschließlich von Folgeanzeigen


Eltern und Erzieher
machen wir auf das schöne und nützliche pädagogische Kunstjournal „Der Jugend Spiel und Arbeit“ von Dr. J. D. Georgens und J. M. von Gayette-Georgens unter Mitwirkung hervorragender Mitarbeiter, Preis pro Quartal Mk. 1,50, aufmerksam. Dasselbe bietet in jedem in Buntdruck ausgeführten Monatshefte Unterhaltung und bildende Beschäftigung der verschiedensten Art für Kinder von 5-13 Jahren. Die beigefügte Beilage gestattet die sofortige leichte Nachahmung der Vorlagen. Jede Buchhandlung und Postanstalt nimmt Abonnementsbestellungen an. Ausführliche illustrierte Prospekte gratis."
Leipzig. Richter's Verlags-Anstalt. K. K. Hofbuchhandlung



Quelle: Biela-Zeitung, V. Jahrgang, Nr. 18, Bilin, 4. Mai 1878; Nr. 20, 18. Mai 1878; Nr. 22, 1. Juni 1878


Diese Anzeige konnte in einem Dutzend Zeitungen nachgewiesen werden. Nebenbei wurde dieser Titel später auch für die Kataloge der Lehrmittelanstalt verwendet.


1878



Tatsächlich wurde es jedoch am 22. Januar 1878 um 11 Uhr 15 als Markenzeichen für den Central-Verlag von Unterrichts- & Beschäftigungs-Material (Dr. Richter) zu Leipzig eingetragen, der kurz vorher angemeldet wurde:


Leipzig. Als Marke ist eingetragen unter Nr. 2455 zu der Firma: Central-Verlag von Unterrichts- & Beschäftigungs-Material (Dr. Richter) zu Leipzig, nach Anmeldung vom 22. Januar 1878, Vormittags 11 Uhr 15 Minuten, für Beschäftigungsmaterial, als: Laubsägen, Laubsägekasten, Bausteine, Baukästen, Plättchen, Ringe, Stäbchen, teilweise in Metall, Holz, Stein, oder Tonmasse, verwandtes Material, das Zeichen: [Bild vom Eichhörnchen] welches auf den Artikeln und deren Verpackung angebracht wird. Königliches Handelsgericht zu Leipzig Dr. Hagen

  Quelle: Deutscher Reichsanzeiger, Berlin, 1. Februar 1878, zweite Beilage, Seite 2

Interessant, das hier bereits Bausteine, Baukästen und Plättchen (Täfelchenlegen) und Materialien wie Stein- und Tonmasse erwähnt werden, die sich nur darauf beziehen können, denn die Ringe sind aus Metall, Stäbchen aus Metall oder Holz, Laubsägen sind ebenfalls nicht aus Stein. Steinmasse als Material ist für Kinderspielzeug eher ungewöhnlich. Und dies bereits am 22. Januar 1878, wo doch die Brüder Lilienthal mit der Entwicklung des Steinbaukastens erst nach der Heirat von Otto Lilienthal am 6. Juni 1878 begannen:

1878

Die ersten Inserate des "Central-Verlag von Unterrichts- und Beschäftigungsmaterial, (Dr. Richter), Leipzig" mit seiner Schutzmarke, dem Eichhörnchen, erscheinen in verschiedenen Zeitschriften:


Wer seinen Kindern,
gleichviel welchen Alters, ein schönes, solides und bildendes Geschenk überreichen will, der verlange mit Postkarte unsere Preis Courante
Zusendung gratis und franco
Central-Verlag von Unterrichts- und Beschäftigungsmaterial, (Dr. Richter), Leipzig



Quelle: Der Bazar, 1878


Um
1878
/
1879

Ein signiertes Dokument belegt die Tätigkeit von Gustav Lilienthal für die 3. Auflage der Serie von Spiel- und Beschäftigungsmitteln von Georgens bei Richter. Der Entwurf eines Deckeletiketts für "Das Ringelegen", bei dem der alte Titel "Der Kindergarten" zu "Neuer Kindergarten" geändert wurde. Unterhalb des Markenzeichens "Eichhörnchen" von Richters Zentral-Verlag für Unterrichtsmaterialien befindet sich der Hinweis auf diesen.





Quelle: George Hardy, Richters Anker-Steinbaukasten, 2013, Selbstverlag


1879

Eine Variante der Anzeige aus dem Folgejahr


Die neuesten Verzeichnisse - Spiele und Beschäftigungsmittel, die sich zu Geschenken für Kinder jeden Alters ganz besonders eignen, versenden wir gratis und franco und bitten zu verlangen.
Central-Verlag von Unterrichts- und Beschäftigungs-Material, (Dr. Richter), Leipzig



Quelle: Der Bazar, 1879


1879

In diesem Jahr erscheint der zweite Band von "Der Jugend Spiel und Arbeit" unter dem eigenständigen Titel "Georgens, Mutter- und Kindergartenbuch", für den ebenfalls geworben wurde, allerdings nicht so intensiv wie für den ersten Band. Zumindest nicht unabhängig davon, die Werbung für "Der Jugend Spiel und Arbeit" lief nämlich über Jahre weiter. Das Otto-Lilienthal-Museum in Anklam besitzt ein farbiges Werbeblatt dazu mit genauen Angaben zum Inhalt und den daran Beteiligten:


Anzeige

Der erste Band von Georgens pädagogischen Kunstjournal für Eltern, Lehrer und Erzieher: „Der Jugend Spiel und Arbeit“ ist in zwölf Heften (jedes mit einer großen technischen Beilage) in eleganter Mappe für 9 Mark durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes zu beziehen. – Der reichhaltige poetische Inhalt, die von Künstlern ersten Ranges ausgeführten Bilder und Arbeitsvorlagen für Knaben und Mädchen aller Altersstufen, sind in dem Geiste geschaffen und geordnet, um in der Familie wie in der Schule ein Ratgeber und Führer bei der Erziehung und dem Unterrichte zu sein und dauernd zu bleiben, da nur das Gediegenste und Auserwählteste geboten und die Ausstattung eine vortreffliche ist. Großer Wert ist namentlich auch dem Farbendruck beizumessen, der hier zum ersten Male, von pädagogischen Gesichtspunkten ausgehende, in so mannigfaltiger Art und planmäßig nutzbar gemacht wird, um den bis jetzt bei der Jugend ganz vernachlässigten Formen- und Farbensinn anzuregen und, durch künstlerische Vorbilder unterstützt, auszubilden, wodurch auch die Auffassung für die Naturerscheinungen am wirksamsten zur Entwicklung kommt. Gegenwärtig bleibt eine Fülle von Formen und Erscheinungen in der Natur und im täglichen Leben bei der Erziehung ganz unbeachtet.
Im Anschluss an diesen ersten Band erschien im Jahre 1879 der zweite unter dem besonderen Titel: „Georgens, Mutter-und Kindergartenbuch“ für diesen Zeitabschnitt von der Wiege bis zum Eintritt des Kindes in die Schule, das dieselben Ziele verfolgt und sich von jenem nur insoweit unterscheidet, als sich der Inhalt in diesem auf die früheste Kindheitsperiode – die Zeit von der Geburt bis zum dritten Jahre, in welcher das Kind noch ausschließlich der mütterlichen Pflege anheim gegeben ist – und die beiden Altersstufen des Kindergartens – vom dritten bis zum fünften und siebenten Jahre – beschränken, bietet dagegen für diesen Zeitabschnitt von der Wiege bis zum Eintritt des Kindes in die Schule ein vollständiges, aus den Quellen der Volksliteratur und der Tradition geschöpftes, in einer langjährigen vielseitigen Praxis bewährtes Material in Lied, Bild und Wort. Der Kenner des volkstümlichen Kinderliedes und Kinderspieles, der plastische und malerische Künstler haben dabei im Verein mit dem Techniker und Pädagogen das Ihrige geleistet. Die volkstümlichen Spiel- und die Liedweisen – alle anderen blieben grundsätzlich ausgeschlossen – sind von Professor Ludwig Erk geprüft, richtig gestellt und größtenteils mit Klavierbegleitung versehen. Für die bildliche Ausstattung waren Marie von Olfers, Paul Meyerheim, Carl Röhling, Henry Albrecht und der Architekt Gustav Lilienthal tätig. Der Typendruck ist elegant, deutlich und klar.
Der Zweck der Hefte ist: die Vereinfachung des Kindergartens zu bewirken und überhaupt die Spiele und Beschäftigungen der Kinder wieder in die volkstümlichen Bahnen zu lenken, zugleich aber auch der Schule die Mittel und Wege zu zeigen, die sie – in Verbindung mit dem Kindergarten – zu ihrer eigenen Umgestaltung zu benutzen hat. Sieben- bis neunjährige Kinder, welche den Kindergarten nicht besucht haben, werden das Versäumte nachholen, indem sie die hier mitgeteilten Spiele und Beschäftigungen mit Nutzen und Vergnügen ausführen, bevor man sie mit dem im ersten Bande für die Stufen des Knaben- und Mädchenalters Gebotenen beginnen lässt.

Das Mutter- und Kindergartenbuch umfasst zwei Abteilungen:

Erste Abteilung: Die früheste Kindheit.
Den Kindern mache ihre Jugend schön! Vorwort.
I. Erste Wonnen. Mit farbigen Randbildern von C. Röhling.
II. Wiegenlieder und Wiegengespräche. Volksweisen, mit Klavierbegleitung von L. Erk und farbigen Randbildern von Marie von Olfers.
III. Das Kind. Mit farbigen Randeinfassungen von C. Röhling.
IV. Die Mutter mit dem Kinde in Scherz und Ernst. Mit volkstümlichen Liedern von L. Erk und Randbildern in Farbendruck von Marie von Olfers

Zweite Abteilung: Das Kindergarten-Alter.
(von 3-7 Jahren)
I. Volkstümliche Turn- und Liederspiele. Mit Musikbegleitung von L. Erk und Randeinfassungen in Farbendruck von Marie von Olfers.
II. Spielende Beschäftigungen. Mit Randzeichnungen in Farbendruck. Von Marie von Olfers.
III. Geregelte Beschäftigungen im Formendarstellen.
1. Die dem Spiele noch verwandten Beschäftigungen: Bauen- und Legeübungen. Mit 32 Figurentafeln in Farbendruck und vier Seiten erklärendem Text, sämtlich mit Randeinfassungen in Farbendruck. Von C. Röhling.
2. Die fixierenden, schon mehr der Arbeit sich annähernden Beschäftigungen. Mit 32 Figurentafeln in Farbendruck und vier Seiten erklärendem Text, sämtlich mit Randeinfassungen in Farbendruck von C. Röhling.
IV. Erzählen und Bildbetrachten.
1. Zwölf Volksmärchen. Mit Rand- oder Vollbildern und Spruchbildern in Farbendruck. Von Marie von Olfers.
2. Märchen und Geschichten aus dem Tierleben, mit 6 Bildern von Paul Meyerheim.
3. Sechs Bilder aus dem Arbeitsleben. Von Paul Meyerheim
V. Der Aufenthalt der Kinder im Garten und die Wanderungen in Feld und Wald. –Tages-, Jahres- und Festzeit in Spruch und Lied. Mit farbigen Randeinfassungen und Bildern. Von Marie von Olfers, C. Röhling und H. Albrecht.
VI. Die Kinderstube. – Das Säuglings-Asyl – Der Kindergarten. – Erziehungs-Tagebuch. – Kinderstuben-Chronik. Mit farbigen Randbildern und Plänen für äussere und innere Einrichtung. Von Marie von Olfers, C. Röhling und Architekt G. Lilienthal.

Das ganze Werk ist komplett in sechs Heften à 32 – 40 großen Folio-Seiten in Farbendruck. Die Hefte sind bereits ausgegeben und liegen in jeder Buchhandlung zur Ansicht auf. Der Abonnementsvorzugspreis für jedes Heft beträgt 5 Mark (einzeln zahlbar) und nimmt jede Buchhandlung und Postanstalt Bestellungen entgegen. Direkt versenden wir nur gegen vorherige Einsendung des Betrages oder Nachnahme.
Ein apart bezogenes Heft kostet 6 Mark.
Leipzig, 1879. Richter’s Verlags-Anstalt



Quelle: Anzeige, Richter, Richter's Verlagsanstalt, 1879, Leipzig


Es fällt auf, dass erwartungsgemäß Gustav Lilienthal als Mitarbeiter aufgeführt wird, allerdings in der zweiten Abteilung nicht für den Abschnitt III.1 "Die dem Spiele noch verwandten Beschäftigungen: Bauen- und Legeübungen" zuständig ist, wie eigentlich erwartet, sondern für Abschnitt VI. "Die Kinderstube. – Das Säuglings-Asyl – Der Kindergarten.". Abschnitt III.1 wurde von C. Röhling mit farbigen Randeinfassungen versehen, während Abschnitt VI. (Bau)Pläne umfasst, die sicherlich vom Architekten Gustav Lilienthal stammen.

1879

Zu den ersten Produkten aus dem Central-Verlag gehört auch ein Geduldsspiel:


(Unterrichts- und Beschäftigungs-Material für Kinder) bildet während des ganzen jahre ein erste Sorge für Eltern und Lehrer der Jugend, ganz besonders aber vor der fröhlichen, vor der seligen Weihnachtszeit. Immer mehr bricht sich die Anschauung Bahn, daß fü die kinder gerade das Beste gut genug sei und daß es den moderen , den vernünftigen Prinzipien der Pädagogik zuwiderlaufe, die Kinderstube mit sinnlosen Spielzeuge zu füllen. Auch das Spiel soll den kindlichen Geist bilden, auch beim Spiel soll das Kind seinem Verständnisse entsprechend denken, denn wahrhaft goldene Worte sind es, die Fröbel ausspricht, wenn er sagt: "Denkend tätig sein, denkend tätig machen, ist der Quellpunkt aller produktiven Erziehung." Dr. Richter's Centralverlag von Unterrichts- und Beschäftigungs-Material in Leipzig hat sich das schöne Fröbel'sche Wort zur Grundlage seiner Tätigkeit gemacht. Es liegen uns aus diesem Vorlage vor: Sechszehn Märchenbilder von Marie von Olfers und ein "neues Figuren-Verwandlungsspiel", beide Publikationen vortrefflich geeignet zu wahrhaft nüthlichen Weihnachtsgeschenken. Die Märchenbilder sind reizend entworfen und wir möchten sie unbedenklich über die "Kindermusik" derselben Verfasserin stellen. Die Bilder sind aufkaschiert und bilden ein groß in einzelne Kartons aufgelöstes, wirklich unzerreißbares Bilderbuch. Das Verwandlungsspiel ist ein instruktives Geduldsspiel, das geeignet ist, selbst unruhige Kinder anhaltend zu fesseln und anzuregen.


Quelle: Wiener Sonn- und Montags-Zeitung 15. Dezember 1879


Jerry Slocum, der große Geduldsspielkenner, hat ein Exemplar der Vorlagen im Friedrich-Fröbel-Museum in Bad Blankenburg gefunden und in seinem Buch "The Anchor Puzzle Book" vorgestellt.

1880

Die früheste Verbindung von Richter zu den Steinen in einer Publikation außerhalb Richter's Universum:


Von dem in diesem Blatte (Wissenschaftliche Beilage Nr. 62 vorigen Jahres) bereits lobend erwähnten Georgens'schen Mutter- und Kindergartenbuche, wie solches in Richter's Verlags-Anstalt in Leipzig 1879 unter Mitwirkung von L. Erk, Paul Meyerheim, C. Röhling, M. v. Olfers, M. Wetzel und G. Lilienthal erscheint, liegen uns die Hefte 2 - 5 vor. Es fehlt mithin nur noch ein Heft, um die 2. Abteilung des Werkes, die sich mit dem Kindergartenalter beschäftigt, fertig zu stellen. Heft 2 enthält Turn- und Liederspiele, sowie Anweisungen zu spielenden Beschäftigungen für Kinder im Alter von 3–7 Jahren, wie Kettchenlegen, die ersten Zeichenversuche, Übungen, Figuren in einem Zuge zu machen, Zeichenspiele, die ersten Malversuche, Perlenfädeln; Heft 3 geregelte Bau- und Legeübungen; der Stufengang für das Vor- und Nachbauen typischer Formen, wie Kreuze, Treppen, Brücken, Tore, Denkmäler, Türme ist auf den beigegebenen Tafeln veranschaulicht und können die eigens zu diesem Zwecke gegossenen, nach Form, Farbe und Anzahl für den Gebrauch mustergültigen Steine sowohl von dem Richter'schen Central-Büro als jeder Buchhandlung bezogen werden. In Heft 4 werden die fixierenden Beschäftigungen gelehrt beziehentlich durch geschmackvolle Tafeln veranschaulicht, das Flechten, Durchstechen, Ausnähen und Bildausschneiden. Heft 5 endlich lehrt das Märchenerzählen und Bildbetrachten, teilt die für die Kindergartenstufe besonders geeigneten Märchen in Wort und Bild mit, fügt daran Tiergeschichten, welche den Charakter der dem Kinde bekannten Haustiere, sowie die hervorragendsten Märchen- und Mythentiere beschreiben und dieselben in Beziehungen zu den Menschen stellen, schildert gleichfalls in Wort und Bild den bürgerlichen Haushalt in Ständen und Gewerken und schließt mit kurzen, kernigen Reimen, Rätseln und Sprüchen, die sich dem kindlichen Gedächtnisse leicht einprägen und – wie der Verfasser mit Recht hervorhebt - länger darin haften, als Moralpredigten. Vorausgeschickt sind den einzelnen Heften theoretische Erörterungen über die Notwendigkeit des neuen Kindergartens, sowie die Nützlichkeit des Spieles, der Beschäftigung und der Arbeit als Mittel für die Übung der Sinne oder des Anschauungsvermögens, meist den Georgens'schen Schriften entnommen. Die Ausstattung der sämtlichen Hefte ist geradezu musterhaft, die Folge davon allerdings, dass der Preis derselben sich etwas hoch herausstellt. Möge sich dadurch aber Niemand - wenn es ihm nur sonst seine Verhältnisse gestatten - abhalten lassen, seinen Kindern durch Anschaffung des Mutter und Kindergarten-Buches nicht nur eine große Freude zu bereiten, sondern gleichzeitig auch zur Übung der Sinne und des Anschauungsvermögens seiner kleinen Sprösslinge wesentlich beizutragen!


Quelle: Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung, 14. März 1880



1880

Am 18. September 1880 wird in den USA bzw. am 18. Oktober 1880 in Deutschland das Patent für die Lilienthal'sche Steinmasse und das Herstellungsverfahren angemeldet. Gemäß der damaligen Gesetzeslage gibt es in Deutschland nur den Anmelder, während in den USA neben einem eventuellen anderen Anmelder auch die Erfinder eine eidesstattliche Erklärung abgeben müssen. Auch in Österreich erwarb Richter ein Patent (keine Erfindungsanmeldung), das er jährlich neu erwerben musste. Dies geschah auch jährlich während der maximal zulässigen Laufzeit von 15 Jahren.


1880

Die nächste Verbindung von Richter und Steinbaukasten


Als passendes Weihnachtsgeschenk empfehle Dr. Richter'sche Baukasten mit wirklichen Steinen in 3 Farben
Paula Müller, Spielwarenhandlung am Markt.



Quelle: Rudolstädter Zeitung, 16. Dezember 1880


1881




Neuer Baukasten. Das „Bauen" wird immer ein beliebtes Spiel der Jugend aller Altersstufen bleiben, denn diese Beschäftigung ist sehr geeignet, den Formensinn der Kinder anzuregen und dessen Entwickelung zu fördern. Der neue Baukasten aus Dr. Richter's „Centralverlag für Unterrichts-und Beschäftigungsmaterial" (Berlin, Markgrafenstraße Nr. 77 und Leipzig, Querstraße Nr. 8), nach der Methode des aus pädagogischem Gebiete rühmlichst bekannten Dr.Georgens eingerichtet, enthält eine große Anzahl hübsche bauliche Grundformen darstellende kolorierte Figurentafeln nebst erklärendem Texte und zeichnet sich vor den bisher üblichen Baukästen dadurch aus, dass die Bausteine aus Steinmasse und in verschiedenen, dem wirklichen Stein und Schiefer ähnlichen giftfreien Farben hergestellt sind, wodurch das Spiel einen neuen eigentümlichen Reiz erhält. Diese Baukästen, in mehreren Ausgaben (von 1 M. 50Pf. bis 9 M. 50 Pf.) bilden eine unerschöpfliche Quelle unterhaltender Belehrung und empfehlen sich sowohl für das Spielzimmer der Großstadt, wie für die einfachste Dorfkinderstube als eine eminent praktische Weihnachtsgabe.


Quelle: Der Bazar, 3. Januar 1881



1882

In diesem Jahr erscheint das illustrierte allgemeine Familien-Spielbuch von Georgens. Im Abschnitt II "Formenspiele"





Quelle: Jan Daniel Georgens, Spiel und Sport, Band I, Illustrirtes Allgemeines Familien-Spielbuch, Verlag Otto Spamer, 1882, Leipzig und Berlin







1882

1882 findet sich in einem Händlerkatalog ein Zementbaukasten:


954 - Zementbaukasten mit roten, gelben und grauen Steinen und kolorierten Vorlagen in Holzkästen, 5 Ausgaben von 2,00 bis 6,60 Mark


Quelle:


1883

In diesem Jahr erschienen die wohl letzten Anzeigen, die den Georgens Baukasten anboten. Am 29. November 1883


Georgen's Baukasten
enthält zahlreiche ganze, halbe, doppelte und dreifache Würfel, Säulen, Dach- und Turmformen und Fensterbogen etc. Alles in wirklichen, natürlichen Steinen und in drei verschiedenen giftfreien Farben, sowie viele dazugehörige hübsche Bauvorlagen auf Karton
. Von diesem zu Spiel und Arbeit der Kleinen anregenden vortrefflichen Beschäftigungs- und Unterrichtsmittel, welches sicher überall als schöne Weihnachtsgabe willkommen und nützlich ist, existieren 8 Ausgaben im Preise von 1 Mark 50 Pfennig bis zu 1... Mark. Dieselben sind durch jede Buch- und Lehrmittelhandlung zu beziehen.



Quelle: Allgemeine Sport-Zeitung, Wien, 29. November 1883


und am 29.12.1883


Georgen's „Neuer Kindergarten“.
Die Firma Ad. Richter & Cie. in Rudolstadt (Wien, Nibelungengasse Nr. 4) hat den Kleinen als Weihnachtsgabe einen Baukasten mit gegossenen Steinen geboten, der die mannigfachsten Vorzüge vereinigt. In erster Linie ist das Baumaterial wichtig und für den Erfolg der Bauübung bestimmend. Hölzerne Bauklötzchen sind aus vielen Gründen unstatthaft: sie sind für die Hand des Kindes zu leicht, schmutzen bald, sind nicht zu reinigen, verlieren ihre scharfen Kanten und Ecken beim Gebrauch, und können auch nicht in jenen lichten und zarten Tönen gefärbt werden, wie Steinmasse. Bausteine von diesem Material werden im Guss mathematisch genau - eine Eigenschaft, die den Holzklötzchen abgeht; auch sind jene durch einfaches Abwaschen leicht zu reinigen und erscheinen immer neu und frisch; zudem lassen sich die Ecken und Kanten gleichmäßig abschrägen, wodurch der Anblick der damit zusammengesetzten Formen an Reiz gewinnt, der schon durch die der Natur nahe kommende Färbung der Steine erhöht ist, da die verschiedenen Teile: Bogen, Säulen, Dächer, Türme, Türen etc. sich voneinander abheben.
Die Steine haben eine gelbliche, rötliche und graubläuliche, an Sand-, Ziegel- und Schieferstein erinnernde Färbung
. Die farbigen Steine erhöhen nicht nur den Reiz des Dargestellten, sie erweitern auch die Kombination, da die Ein- und Abteilung durch das Einsetzen einer anderen Farbe sehr bestimmt hervortritt, was bei Bauformen von einerlei Farbe fehlt. Die Sandsteine werden, wie es auch in der Baukunst üblich, hauptsächlich zu Trägern und Stützen bei Unterbauten verwendet.



Quelle: Österreichische Kunst-Chronik Wien, 29. Dezember 1883


Auffällig, in beiden Anzeigen wird der Name Georgens als Georgen's geschrieben und in der ersten Anzeige ist von nur 8 Ausgaben die Rede.


1883









Quelle:


1883









Quelle:






1884

Bereits 1884 führte Richter Prozesse gegen Plagiatoren, die zum Beispiel die Vorlagen kopierten:


[Wichtige Entscheidung für Fabrikanten und Geschäftsleute.]
Eine Entscheidung des königlichen Landgerichts zu Chemnitz wird für Alle ein Interesse haben, welche sich mit dem Vertrieb, beziehungsweise der Anfertigung von Neuheiten befassen. Der Baukastenfabrikant Martin in Borstendorf hatte von dem Lithographen König in Zschopau Vorlagen zu einem Baukasten anfertigen lassen und dazu die Vorlagen, wie solche den bekannten Richter'schen Steinbaukasten beigegeben werden, übergeben, um etwas Ähnliches für seine den Steinbankasten in Holz nachgeahmten Baukasten als Vorlagen für letztere zu erhalten. Der Lithograph König war nun der Meinung, dass, wenn er die Richter'schen Vorlagen etwas verkleinere, außerdem die Zeichnung selbst hier und dort etwas ändere und den Druck dann in anderen Farben ausführe, er dem Verlangen des qu. Martin entspräche und sein Verfahren nicht straffällig sei. Die Leipziger Lehrmittelanstalt von Dr. O. Schneider, welcher der Vertrieb der Steinbaukasten von Dr. Richter in Rudolstadt übertragen ist, erhob jedoch sehr bald Einspruch gegen den Verkauf der Martin'schen Baukasten mit den nachgeahmten Richter'schen Vorlagen und seitens der königlichen Staatsanwaltschaft wurde die Beschlagnahme der noch vorhandenen Baukasten, Vorlagen und der Platten und Steine zur Anfertigung der letzteren verfügt und das Strafverfahren eingeleitet. Es sind dann Sachverständige aus den Kreisen der Spielwarenbranche auf Antrag der Verklagten und außerdem der literarische Sachverständigen-Verein für das Königreich Sachsen auf Antrag des Klägers vernommen worden, deren Gutachten dahin geführt hat, dass die beiden Verklagten, Martin und König, ein Jeder mit 50 Mark, beziehungsweise zehn Tagen Gefängnis, beide Angeklagte in eine von ihnen solidarisch aufzubringende, an den Beschädigten zu bezahlende Geldbuße von 300 Mark und endlich zur Tragung sämtlicher Kosten des Verfahrens, sowie der Erstattung aller dem Kläger erwachsenden Auslagen für Reisen etc. verurteilt worden sind. Das Erkenntnis ist in jeder Weise begründet und basiert hauptsächlich darauf, dass die Nachahmung von Erzeugnissen Anderer straffällig sei, das geistige Eigentum Anderer, welches in Hervorbringung neuer Erzeugnisse seinen Ausdruck gefunden habe, gesetzlich geschützt werden müsse, und nicht nur der Nachahmer, sondern auch der Verbreiter der Nachahmungen zu bestrafen sei. Dass, wie auch hier die Angeklagten zur Sprache gebracht, in der Spielwarenbrauchs wiederholt solche Nachahmungen straflos geblieben seien, kam gar nicht in Betracht, es habe Jeder, wer Neuheiten kaufe, im Voraus zu berücksichtigen, ob dabei Rechte Dritter in Frage kommen, wenn er als Verbreiter solcher angeblicher Neuheiten nicht selbst sich der Bestrafung aussetzen wolle.



Quelle:


1884

Und noch eine Ausstellungsteilnahme


Dritte Teplitzer Ausstellung.
...
„Die ausgestellten Lehrmittel sind zumeist wahre Kabinettstücke. Verfolgt man bei deren Betrachtung den synthetischen Weg, so kommt man zunächst zu den Lehrmitteln, welche von der Firma F. Ad. Richter & Co., k. und k. Hoflieferanten von Österreich-Ungarn, Italien, Portugal und Bayern, in Wien ausgestellt sind. Wegen des 6 Meter hohen Pavillons, der für sich allein ein Meisterwerk der Bildhauerkunst ist (in Nürnberg angefertigt) und einen Wert von 4500 fl. repräsentiert, mussten die in demselben befindlichen Lehrmittel in der Schulkapelle untergebracht werden. Die genannte Firma will mit ihrem Unterrichts- und Beschäftigungsmaterial die kindlichen Spiele, Beschäftigungen und Arbeiten rechtzeitig regeln und nach pädagogischen Grundsätzen geleitet wissen, ohne die Lust der freiwilligen Tätigkeit des Kindes dabei irgendwie zu beschränken. Dieses Prinzip der Erziehung ist gegenwärtig in den urteilsfähigen Kreisen überall anerkannt und durch die allmähliche Ausbreitung der Fröbel'schen Kindergärten (welche das Lesen- und Schreiben-Lehren und -Lernen nicht kennen) in den weitesten Kreisen des In- und Auslandes auch zur Geltung gekommen. Das Material für die freiwilligen Spiele und Beschäftigungen, sowie das durch Vorlagen und Anweisungen methodisch geregelte Bauen, Ringe-, Stäbchen- und Täfelchenlegen, Flechten, Durchstechen, Ausnähen und Bildausschneiden für Kinder von drei bis sieben Jahren unterscheidet sich von allen bisherigen durch die edleren Mittel, die einfacheren doch künstlerischen Formen, die wohlgewählten, richtig zusammengestellten und den Stoffen angemessenen Farben. Dasselbe gilt auch von dem Material, den Formarbeiten für Knaben und Mädchen von 7 bis 16 Jahren. Besonders in die Augen fallend sind die im Mittelteile des Pavillons aufgeführten Baue aus fester Steinmasse. Die Steinformen sind auf die einfachen mathematischen Grundkörper beschränkt und in drei gedämpften, lichten Farben exakt ausgeführt“ ein unvergleichlich schönes und dauerhaftes Material, wie es bis jetzt für keinen Baukasten zur Verwendung kam. Die Firma ist im alleinigen Besitze dieser wichtigen in allen Staaten patentierten Erfindung, und ihr Baukasten bietet überdies noch den Vorteil, dass etwa verloren gegangene Steine leicht zu ersetzen sind, und zwar in gleicher Größe, so dass die Kasten stets komplett erhalten werden können.



Quelle: Teplitz-Schönauer Anzeiger - Nr. 61 vom 9. August 1884 - Seite 6


Bemerkenswert finde ich, dass man einen eigenen Messestand hatte - ich denke da auch an das Wetterhäuschen im Rudolspark - und das noch die weiteren Bestandteile des "Neuen Kindergartens" aus dem Verlagsprogramm aufgeführt sind.

1885

1885 bearbeitete Georgens das "Illustrite Spielbuch für Knaben" von Hermann Wagner (1824-1879) und brachte auch einen Abschnitt über das Bauen unter


Allen diesen Anforderungen wird zum ersten male durch die von Dr. Georgens erfundenen Steinbaukasten (Berlin, Richters Zentralverlag, Passage: Laden Nr. 37) entsprochen: dieselben sind in allen Größen und für alle Altersstufen, vom dreijährigen Kindern bis hinauf zu den Bautechnikern zu dem Preise von 1 1/2 bis zu 30 Mark zu haben. Die Steine sind mathematisch genau, hart wie diese, aber etwas leichter, dagegen elastisch und etwas schwerer wie Holz. Die drei zarten Farbentöne: Sandsteingelb, Ziegelrot und Schiefergrau, beleben die Form und gestatten eine für das Auge angenehme Gliederung der auszuführenden Bauten. Von den vielen möglichen schönen und interessanten Formen, welche mit den neuen Bausteinen ausgeführt werden können, enthält die hier beigegebene Figurentafel: Eine Betkapelle, einen altdeutschen Wartturm, ein Rathaus und eine Klosterkirche mit Kreuz; sie zeigen die Art der Steinverwendung und die Wirkung des zart abgetönten Materials.


Quelle: Illustriertes Spielbuch für Knaben. Von Hermann Wagner, überarbeitet von J. D. Georgens, x Auflage 1885, Spamer


Anlässlich der Ausstellung "Bauklötze staunen : 200 Jahre Geschichte des Baukastens" im Deutschen Museum in München schrieb Annette Noschka im Katalog zur Ausstellung:


In Wagners "Illustriertem Spielbuch für Knaben", das von Georgens 1885 neu bearbeitet und erweitert wurde, sind Lilienthals Kasten und seine Entwürfe als "Georgens Steinbaukasten" wiederzufinden, der sogar als ein "von Dr. Georgens erfundener Steinbaukasten" gepriesen wird. Die Annahme, Georgens' Name sollte lediglich eine Werbefunktion im Sinne eines Garanten für pädagogisch wertvolles Spielzeug erfüllen, mag für eine Anzeige im "Allgemeinen Familienspielbuch", das von Georgens 1882 herausgegeben wurde, noch zutreffen. Doch die geringe Scheu, mit welcher er drei Jahre später den Steinbaukasten als seine Erfindung ausgab, wirft ein zweifelhaftes Licht auf seine Vermittlerrolle.


Und die nebenstehende Zeichnung ist dort untertitelt mit


Die Erfindung Gustav Lilienhals, von J. D. Georgens für sich beansprucht


Quelle: Annette Noschka, Günter Knerr, Bauklötze staunen : 200 Jahre Geschichte der Baukästen, Hirmer Verlag, Deutsches Museum, 1986


Nach dem was wir jetzt wissen, sollte dieser Satz inzwischen "Die Erfindung J. D. Georgens, von Gustav Lilienhals für sich beansprucht" lauten. Das Erinnerungsvermögen von Gustav Lilienthal, als er 1930 seine Autobiographie "Die Lilienthals" schrieb, war 50 Jahre nach den Ereignissen wohl nicht mehr sonderlich gut.

Der Absatz erschien auch im Ausstellungskatalog des Landesarchivs Berlin vom 22. Juni bis 31. Oktober 1989 zu "Gustav Lilienthal 1849 - 1933 Baumeister Lebensreformer Flugtechniker" im Kapitel "Gustav Lilienthal - (unbekannter) Erfinder berühmter Baukästen".
Weitere Annahmen, die in dieser Publikation getroffen wurden, betreffen die Geduldsspiele, die Richter ebenfalls von Gustav Lilienthal abgekupfert haben soll (siehe die Erwähnung durch Georgens 1882) und die Idee der DS Dächer, die ebenfalls auf Vorarbeiten von Lilienthal beruhen soll.


1886

Dass Jan Daniel Georgens sich mit den Baukästen identifiziert und auch eine Weiterentwicklung durchführt, zeigt eine Publikation von 1886 - Der Arbeits-Unterricht in der Volksschule -, in der er ausdrücklich von "meinen Patent-Steinbaukästen" und - Überraschung - "meinen neuen Marmorbaukästen" spricht.

Seite 45 daselbst:


Das Figurenlegen mit Ringen, Stäbchen und Täfelchen, welches sich vom Kindergarten aus modifiziert in der Elementarklasse der Volksschule fortsetzt, ist im Gegensatze zu dem Bauen (mit „Patent-Stein-“ und meinen neuesten „Marmorbaukasten“), von welchem dasselbe gilt, Flächenarbeit, obgleich die Figuren, welche durch Ringe, Stäbchen und Täfelchen gebildet werden, über der Fläche, der sie aufliegen, „erhaben" sind.


Seite 48 daselbst:


Näheres siehe: Georgens Mutter- und Kindergartenbuch (Leipziger Lehrmittelanstalt von Dr. Oscar Schneider), von welchen ebenso wie von dem Lehrmittelverlag von Max Mittag, Berlin, das erforderliche neue Material (von meinen Patentbaustein- und neuen Marmor-Baukasten an) jederzeit zu beziehen ist.


Quelle: Jan Daniel Georgens, Der Arbeits-Unterricht in der Volksschule. Mit einem internationalen Formenschatz. In 20 zwanglosen Heften. Erstes Heft. Max Mittag, Verlag für Lehrmittel und Unterhaltungsschriften, Berlin, 1886.


Mit einem Vorwort von Georgens datiert auf den Dezember 1885 zu Berlin.

1886

Tatsächlich wurde mit Anmeldedatum 5. Juli 1886 ein Gesuch auf Gewährung eines Patentes gestellt auf ein


Verfahren zur Herstellung einer künstlichen Steinmasse - Patent-Anspruch: Die Herstellung einer künstlichen Steinmasse durch Vermischung von gebranntem Gips oder Tripolith mit einer alkoholischen Lösung von Harzen (Kolophonium, Kopal, ausgekochtes Fichtenharz) allein oder von Harzen mit alkohollöslichen Farbstoffen unter Zusatz von Wasser zur Ausscheidung der Harze und schließlich Entfernung des Alkohols durch Verdunstung.


Quelle: Patent DE000000039942A in der deutschen Patentdatenbank


in dem auch ausdrücklich der Einsatz für Bauklötze und die Marmorierung erwähnt werden. Basis bilden gelöste Naturharze wie Kolophonium, mit deren Hilfe eine gießfähige Masse hergestellt wird. Auch diese Rezepturen gab es ähnlich in älteren Büchern. Dieses Patent wird als Deutsches Reichspatent D.R.P. Nr. 39942 gewährt. Anmelder und Inhaber ist ein Moritz Schauenburg in Lahr, Inhaber des Verlags Moritz Schauenburg, der von 1864 als familiäre Umfirmierung eines älteren (vor 1795 gegründet) bis 1999 existierte.

1886



Am 9. November 1886 stirbt Jan Daniel Georgens. Ein Nachruf erscheint in der Berliner Zeitung:


Freitag, den 12. November 1886.
Dr. Georgens †. Der bei unseren Lesern durch viele interessante Beiträge gewiss noch in guter Erinnerung stehende Schriftsteller Dr. Daniel Georgens ist vorgestern hier gestorben. Der feinsinnige Gelehrte hatte sich eine Spezialität erkoren, in welcher er bedeutende schriftstellerische und pädagogische Erfolge erzielt hat: er schrieb und erfand für Kinder. Sein Spielbuch ist eine Musterleistung an Geschmack, historischer Genauigkeit und Kenntnisreichtum - auch in dem Spielschrein des Kronprinzen befindet es sich - und eine von ihm erfundene neue Art von Baukasten ist in allen Kinderstuben zu finden. Seine Gattin, Jeanne Marie von Gayette, war ihm eine rührige und verständnisvolle Mithelferin und Mitstreberin an seinem schönen Werke; jetzt betrauert die tiefgebeugte Gattin den geistvollen Mann. Doktor Georgens stammte aus der Pfalz; er hatte sich eben bereit gemacht, zur Stärkung seiner Gesundheit nach den Süden zu gehen, als ihn ein schweres Nervenleiden ergriff und ihn schnell dahinraffte. In der Berliner Gesellschaft wie in der Öffentlichkeit war der schmächtige alte Herr, der stets in eigenartig auffallenden, malerisch wallenden Kleidern einherging, eine vielgekannte Persönlichkeit.



Quelle: Berliner Zeitung vom 12. November 1886


1886

Die Todesnachricht führte anscheinend sofort zu einer scharfen Protestnote an die Redaktion, denn bereits 4 Tage später erfolgte eine Korrekturmeldung:


Dienstag, den 16. November 1886.
- Dr. Daniel Georgens ist, wie berichtigend bemerkt sei, nicht in Berlin, sondern in Doberan gestorben. Bei dieser Gelegenheit sei auch noch bemerkt, dass der eigentliche Erfinder der im Nekrolog erwähnten Steinbaukästen nicht Dr. Georgens, sondern der jetzige königliche Baumeister Herr Gustav Lilienthal ist.



Quelle: Berliner Zeitung vom 16. November 1886


Dies ist bisher die erste Erwähnung dieses Anspruches auf den gesamten Steinbaukasten, die bislang in der Literatur zu finden war. Der Titel "königlicher Baumeister" bezieht sich nicht auf eine aktuelle Anstellung, sondern auf einen in Australien geführten Titel, in seinen Patentanmeldungen vom 25. Februar 1886 - Steinmasse - bzw. 17. Mai 1886 - Presse - wird z.B. als Anmelder "Gustav Lilienthal, Königlicher Englischer Baumeister in Melbourne 8 Fox Street, Australien" benannt


Quelle: Patentblatt, 3. März 1886, Kaiserliches Patentamt, Berlin.


1886

Gustav Lilienthal war 1885 auf Urlaub aus Australien zurückgekehrt und befand sich zu dieser Zeit in Paris, um die Kästen der neuen Lilienthal-Serie zu vertreiben. Von daher hat vermutlich Otto die Gegendarstellung veranlasst. Gustav schreibt dazu in seinen sogenannten Brautbriefen am 21. November:


... Georgens ist also jetzt auch tot. Seinen Nekrolog in einer Zeitung hat mir Otto geschickt. Auf die von ihm vertretene Idee lasse ich nichts kommen so sehr er mir anderseits im Leben geschadet hat. Er konnte sehr begeisternd reden, doch war sein Charakter nicht so aufrichtig wie es bei einer ersten Begegnung den Anschein hatte. Ich wollte den Warnungen, die mir früher gemacht wurden, nicht glauben bis ich es selbst erfahren musste, dass er log. ...


Quelle: https://lilienthal-museum.museumnet.eu/archiv/objekt/11833


Leider führt er nicht weiter aus, wo die Probleme mit Georgens genau lagen. Und meinte er etwa mit Idee die Idee eines Steinbaukastens?

1886

Erst nach dem Tod von Georgens erscheint am 11. Dezember 1886 in der "Leipziger Illustrirten Zeitung", in der auch Richter seine ganzseitigen Weihnachtsanzeigen publiziert, eine ganzseitige Anzeige für einen Marmor- und Alabasterbaukasten


Schauenburg's Marmor- und Alabaster-Baukasten in verschiedenen Gössen. Zum Patent angemeldet.


Quelle: Illustrierte Zeitung, No. 2267, 1886, Leipzig, Seite 620


In der gleichen Ausgabe erschien auch noch ein Beitrag zu diesem neuen Produkt:


Schauenburg's Marmor- und Alabaster-Baukasten.
Das gegenwärtig auf allen industriellen Gebieten zum Ausdruck kommende Bestreben, die Gegenstände der unmittelbaren Umgebung und des täglichen Gebrauchs nach den Gesetzen der Schönheit zu gestalten, um so auf die Verfeinerung des Geschmacks hinzuwirken, erscheint in besonderem Grade überall da berechtigt, wo es sich um die Unterhaltungsmittel der Jugend mit Rücksicht auf die Ausbildung des Formensinns handelt. Diesem Bestreben entspricht durch das edle Material und die künstlerische Ausführung der neue Baukasten von Schauenburg's Verlagsanstalt in Lahr, der einfach sowie elegant in zwei Ausgaben (mit und ohne Säulen) und in der Anzahl der Teile von 21 bis 778 aufsteigend (als großer Prachtbaukasten mit 1232 Steinen) geliefert wird. Formenschönheit und leichtes, gefälliges Aussehen bei vollkommener Stabilität charakterisieren die aus Marmor- und Alabastermasse in außerordentlicher Mannigfaltigkeit auszuführenden Bauten, und zwar nicht minder die schlichte Gartenbank, die das Kind mit Hilfe weniger Steine errichtet, als das stattliche Haus im Renaissancestil, zu dessen Aufbau Hunderte von Steinen gebraucht werden. Die Beschäftigung mit dem Schauenburg'schen Baukasten, die selbst Erwachsenen Interesse zu bieten vermag, erscheint ganz geeignet, das Kind spielend in das Verständnis für Baukonstruktionen einzuführen, sodass es Grundriss- und Aufrisszeichnungen in die Praxis übersetzen lernt und zu selbständigen Entwürfen angeregt wird. Dadurch, dass die wichtigsten architektonischen Formen (Sockel, Gurt, Hauptsims, Fensterbogen, Quaderung, Baluster, Säule usw.) ganz bestimmt angedeutet sind, stellt diese von Autoritäten des Baufachs günstig beurteilte Neuheit für den älteren intelligenten Knaben im eigentlichsten Sinne Bildungselement dar, während sie den Kleinen durch das natürliche Aussehen der Bauwerke besondere Freude bereitet.



Eine weitere Anzeige von 1886 stammt aus der Münchener Allgemeinen Zeitung.


Quelle: Allgemeine Zeitung, München, 07. Dezember 1886


Diese Kästen waren über Schauenburg's Verlagsanstalt in Lahr/Schwarzwald erhältlich. Bislang konnte nur dieser zeitgenössische Marmorbaukasten gefunden werden und für 1890 die Marmorbaukästen der Brüder Herrmann. Zeitlich kommt nur der Schauenburger Baukasten in Frage, es scheint also, dass Georgens auch dort hin Verbindungen hatte. Georgens war also in dieser Hinsicht nicht mit Richter verheiratet, wie ja schon der Verlag dieser Publikation zeigt. Die dort verwendete gießfähige Masse basiert auf gelösten Naturharzen, siehe Patent. Inwieweit der Marmor-Baukasten der Brüder Herrmann wieder nur eine Nachahmung war, ist unbekannt, dafür sind beide Kästen zu selten bzw. im Fall der Brüder Herrmann bislang auch nicht nachgewiesen.



1886
/
1887

Hier die Bilder eines derartigen Kastens aus einer Auktion. Es ist wohl kein ganz vollständiger Kasten aus der Serie ohne Säulen. Nach dem Bauvorlagenheft ist es der größte in der Anzeige erwähnte Kasten ohne Säulen mit 95 Steinen. Die Vorlagen wirken recht qualitätsvoll.







1887

Im Nachfolgejahr erscheint eine weitere Besprechung:


Schauenburg's Marmor- und Alabaster-Baukasten in verschiedenen Grössen, Schauenburg's Verlagsanstalt Lahr.
Die neuen und eigenartigen Baukästen der Firma Schauenburg in Lahr haben in hohem Grade Interesse erregt. Es handelt sich in erster Linie dabei darum, dem fortgeschrittenen Kunstbedürfnis unserer Zeit, mehr als bisher geschehen, entgegenzukommen. Dadurch, dass die Schauenburg'schen Baukasten die Hauptbauformen ganz bestimmt andeuten (Sockel, Gurt, Hauptsims, Fensterbögen, Quaderung, Baluster, Säulen etc.), fügen sie den bisherigen Baukasten ein wesentliches Bildungselement hinzu und sind wohl geeignet, intelligentere und begabtere Kinder zu einem ernsteren Studium hinzuleiten, während sie auch den kleineren durch größere Natürlichkeit eine weit größere Freude bereiten werden als die bisherigen. Diesen letzten Effekt aber wird mit Jubel das Material erzeugen! Wirklicher edler Marmor und Alabaster. Welchen Glanz wird das aufgebaute große Haus auf dem Weihnachtstisch hervorbringen!



Quelle: Heimgarten, Band 11, Leykam., 1887


Danach verliert sich die Spur dieser Kästen. Nur noch die Anker-Steinbaukästen zeugen bis zum heutigen Tage vom Wirken Dr. Jan Daniel Georgens in diesem Sektor.

1891

Nach der Gegendarstellung zu Georgens Nekrolog 1856 wird, soweit bekannt, zum ersten Mal Otto Lilienthal als Erfinder des Ankersteinbaukastens erwähnt. Dies geschieht in einer Besprechung des 1888 erfundenen Modellbaukastens:


Modellbaukasten. Von Otto Lilienthal, Berlin, Wallstrasse 12.

Es dürfte wenigen unserer Leser bekannt sein, dass einer der Mitarbeiter des Prometheus, Herr Ingenieur Otto Lilienthal, der Erfinder eines der sinnreichsten und beliebtesten Kinderspielzeuge, nämlich des Steinbaukastens, ist. Es gibt wohl kaum ein Spielzeug, welches sich einer ähnlich grossen Verbreitung und Anerkennung rühmen könnte, Diesen enormen Erfolg verdankt der Steinbaukasten dem Umstande, dass er in einer für Kinder fassbaren Form eine korrekte Idee zur Darstellung bringt. Die Nachahmung steinener Häuser muss auch mit steinernen Steinen geschehen - das ist eine Logik, die selbst dem kleinsten Kinde einleuchtet; wenn man ihm nun Steine in richtiger Form und Grösse zum Bauen darbietet, so gibt man ihm damit endlose Anregung und Unterbaltung. Nur einen Fehler haben die Steinbaukasten - die Bauten fallen ein , denn die Steine können nicht mit Mörtel unter einander verbunden werden.
Diesem Bedürfnis nach Herstellung festerer Bauten hat der Erfinder Rechnung getragen, indem er die Holzkonstruction zum Gegenstande eines Spieles gemacht hat, welches vielleicbt nocb sinnreicher erdacht ist, als der Steinbaukasten. Dieses neue Spiel kommt seit Kurzem unter dem Namen "Modellbaukasten" in den Handel.
...
Wir wünschen dem Erfinder bei dieser neuen Betätigung seines pädagogischen Talentes einen ähnlichen Erfolg, wie er seinen Steinbaukasten zu Teil wurde, und dies um so mehr, da er diesmal die fabrikmässige Herstellung seinesSpieles selbst in die Hand genommen hat.



Quelle: Prometheus Jahrgang 2, ,1891, Seite 143- 144


Aus verschiedenen Gründen nutzten die Brüder für die Patentanmeldungen sich wechselseitig als Anmelder. Der Modellbaukasten wird eigentlich Gustav Lilienthal zugeschrieben.

1893

Bei der nächsten Erwähnung als Erfinder des Ankersteinbaukastens im Zusammenhang mit seinem Modell-Baukasten wird zumindest auf Gustav Lilienthal als Hersteller hingewiesen:


Modell-Baukästen. Deutsches-Reichs-Patent Nr. 46312 des Ingenieurs Lilienthal, Erfinders des Richterschen Anker-Steinbaukästen. (Weihnachten 1888.) 5 Größen. à *3 Mark 50 Pfennig - *16 Mark


Quelle: Buch- und Kunst-Katalog: 1-3. Abteilung Ergänzungs-Band (7 v.), Adolph Russell, 1893, Spalte 719/720


Worauf sich die Angabe "Weihnachten 1888" genau bezieht ist nicht klar, das zugehörige Patent galt ab 8. April 1888. Vielleicht ist es die Aufnahme dieses Produkts in das Verlagsprogramm von Franz Ebhardt & Co.. 1896 gab es den Modell-Baukasten wohl direkt ab Werk:


Der Modellbaukasten baut Mühlen, Brücken, Kirchen, Häuser und allerlei Gegenstände bis 1 m hoch , Preis 3–16 Mark . Mit dem ... Preisliste franco und gratis nur von der Fabrik G. Lilienthal , Gr. Lichterfelde, Berlin, Marthastr. 5.


Quelle: Fliegende Blätter, Band 105, Braun & Schneider, 1896


1897

Ein Leserbrief von 1897 erwähnt ebenfalls den Steinbaukasten in Verbindung mit Otto Lilienthal. Er ist von dem Hersteller der Teile zu Pressen und Formen, die Otto nicht in seiner Werkstatt fertigen konnte:


"Herrn Professor Dr. Otto N. Witt, Berlin NW.
Berlin N., 2o. Oktober 1896.
Vielleicht hat es Interesse für Sie, zu erfahren, dass die in Nr. 365 Ihrer geschätzten Zeitschrift dargestellte und beschriebene Kettenfräse, welche danach eine neue amerikanische Erfindung sein sol1, schon ein ziemlich hohes Alter hat, und eine deutsche Erfindung ist.
Unser leider viel zu früh gestorbene Otto Lilienthal benutzte die Kettenfräse schon im Jahre 1878 für eine von ihm konstruierte und von mir ausgeführte Schrämmaschine. Diese Maschine ist meines Wissens nach den Salzbergwerken von Wieliczka in Galizien geliefert und hier öffentlich benutzt worden, das auf diese schon so alte Sache in Amerika erst jetzt erteilte Patent besteht also nach meiner Ansicht zu Unrecht.
Ehe Lilienthal sich selbst eine Fabrik einrichtete, war er bei der alten berühmten Firma C. Hoppe, hier, als Ingenieur angestellt. In seiner freien Zeit baute Lilienthal fortwährend an neuen Sachen. Teile hierzu, die er zu Hause mit seinem Werkzeug nicht machen konnte, wurden in meiner Werkstätte ausgeführt, so entstanden unter anderem die Steinbaukästen, die sich unter der Bezeichnung "Richters Patent-Steinbaukasten" und dann als "Anker-Baukasten" nachher die ganze Welt eroberten. Ebenso entstand aus einer ursprünglich kalorischen Maschine, die jetzt in so sehr vielen Exemplaren verbreitete Dampfmaschine mit absolut gefahrlosem Dampferzeuger aus Röhren. Die erste derartige, in etwas größerem Maßstabe ausgeführte Maschine dient seit dem Jahre 1881 zum Betrieb meiner Werkstätte.
...
Mit größter Hochachtung zeichne
H. Seidel



Quelle: Prometheus: illustrierte Wochenschrift über die Fortschritte in Gewerbe, Industrie und Wissenschaft ..., Band 8, Verlag von Rudolf Mückenberger, 1897, Seite 96


Also ein Zeitzeuge, der bestätigt, dass sich Lilienthal mit der Steinherstellung beschäftigte. Bei ihm hatten die Lilienthals den größten Teil ihrer Schulden, die Rede ist von 4000 Mark, die Richter dann beim Ankauf des Verfahrens beglich. Leider führt er nicht näher aus, welche Steinbaukästen damals befüllt wurden, die ersten Kästen "Georgens" überspringt er jedenfalls.

1909

In der x.ten Neuauflage des Wagners wird zwar das alte Bild verwendet. aber der Bildtext von "Georgens Baukasten" zu "Steinbaukasten" geändert. Im Textteil dazu wird Georgens nicht mehr erwähnt.





Quelle:



1909

Dass der Charakter von Georgens nicht unbedingt einfach war, zeigt eine Anmerkung von Robert Rissmann, der ihn noch persönlich kannte, anlässlich einer Literaturangabe:


*) Der Herausgeber der Deutschen Schule [Robert Rissmann], der Dr. Georgens und seine Gattin, die seit Ende der Sechzigerjahre in Berlin lebten, später kennen gelernt und auch in ihrem Hause verkehrt hat, kann dem Verfasser in seiner Beurteilung des sicherlich interessanten und höchst anregenden Mannes doch nicht ganz zustimmen. Georgens war ein sehr beweglicher Geist und ein scharfer Denker mit stark kritischer Begabung, reich an eignen Ideen und begeistert für die Ziele, denen er sein Leben gewidmet hatte. Aber er war auch eine sehr unruhige Persönlichkeit, die oft das selbst zerstörte, was sie mühsam errichtet hatte, überhaupt ein unheilbarer Projektemacher und, trotzdem er selbst sich offenbar für einen raffinierten Geschäftsmann hielt, ein höchst weltfremder, unpraktischer Mensch. Dabei war er sehr selbstbewusst und nicht selten geneigt, seine Verdienste – auch auf Kosten anderer – höher einzuschätzen, als eigentlich die Tatsachen zuließen. Wie ich ihn und seine Schwächen kenne, würde ich weder seiner ziemlich rücksichtslosen Kritik Fröbels – die ihm seinerzeit die Gegnerschaft Wichard Langes zuzog, gegen den er eine nicht für ihn sprechende hämische und ungerechte Polemik führte – recht geben, noch würde ich seine Berichte aus Liesing (und noch manches andere aus seinen selbstbiographischen Notizen) unbesehen als Tatsachen betrachten. Die Annahme, dass die dort veröffentlichten Schriften der Hauptsache nach von Deinhardt herrühren, wird sich kaum abweisen lassen, und dass dieser in bitterer Feindschaft von Georgens geschieden, ist Tatsache. Sie wird vor allem bezeugt durch ein gegen Georgens und Gattin gerichtetes sehr scharfes Pamphlet, das sich im Besitz Wichard Langes befand. Bei allen diesen Schwächen wäre es freilich ein Unrecht, wenn die Erziehungsgeschichte Georgens, einen der originellsten unter den Nachfolgern Fröbels, gänzlich ignorieren wollte.


Quelle: Robert Rissmann, Anmerkung, Die deutsche Schule - 12.1908 (12), Seite 523


1909

In einer Sitzung des Vereins Deutscher Ingenieure am 1. September 1908 wird ein Vortrag über Otto Lilienthal gehalten, in dem es erwähnt wird.


Herr Kirchner hält einen Vortrag: Ingenieur Otto Lilienthal und sein Vogelflug. ... In eigener Firma erfand er mit seinem Bruder den berühmt gewordenen Steinbaukasten; er konstruierte für die kaiserliche Marine ein Nebelhorn, erfand die ...


Quelle: VDI Zeitschrift, Band 53, Verein Deutscher Ingenieure, 1909, Seite 548


Ebenfalls 1909 wurde es ähnlich bei Heinrich Adams erwähnt:


Lilienthal war die richtige Erfindernatur. Er arbeitete fortgesetzt an neuen Sachen. Schon damals entstand der Steinbaukasten. Die Erfindung wurde später an eine Fabrik in Rudolstadt verkauft und eroberte unter den Namen von Richters Steinbaukasten die ganze Welt.


Quelle: Flug, Heinrich Adams, C. F. Amelangs Verlag, 1909, Seite 19


Wobei die Quelle dieser Information wohl immer Gustav Lilienthal war:


Besonders zu Dank verpflichtet ist er [der Verfasser] dem in Groß-Lichterfelde lebenden Baumeister Gustav Lilienthal, der ihm in früheren Jahren authentisches Material über seinen Bruder Otto Lilienthal, den Altmeister der Fliegekunst übermittelt hat, ...
Berlin, August 1909, A. Hildebrandt



Quelle: Die Brüder Wright, eine Studie über die Entwicklung der Flugmaschine von Lilienthal bis Wright, A. Hildebrandt, Berlin, 1909


 

1910

Als 1910 eine Neuauflage von Otto Lilienthals "Der Vogelflug" von 1889 herauskam, hat Gustav Lilienthal sie um einige biographische Abschnitte erweiterte, in denen u.a. auch der Steinbaukasten erwähnt wurde.


My brother made the acquaintance, during one of his journeys in Saxony, of his wife Agnes, nee Fischer, the daughter of a mining official, and married her in 1878. Shortly before this, our grandmother was taken from us, and my sister had taken a position in England as a teacher. I lived for two years with the newly married couple, and during that time we invented the “Anchor” brick-boxes which became so well known in later years, and the joy of innumerable children, but which caused us much annoyance, woriy, and still more monetary loss.
I disappointed by all this trouble, I collected my belongings and emigrated to Australia, whilst my brother Otto developed a system of tubular boilers for which he obtained a German patent.

In dieser Zeit brachten wir noch die Erfindung der später so bekannt gewordenen Anker Steinbaukästen heraus, eine Erfindung, die viele Kinderherzen erfreut, uns aber sehr viel Ärger und Verdruss und noch mehr Geldverlust gebracht hat.


  Quelle: Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst: ein Beitrag zur Systematik der Flugtechnik, von Otto Lilienthal und Gustav Lilienthal, R. Oldenburg, 1910
Quelle: Otto Lilienthal, Gustav Lilienthal; BIRDFLIGHT AS THE BASIS OF AVIATION; London, Longmans, Green and Co.; 1911

1911

Ein letztes Mal, so weit bekannt, wird Georgens als Erfinder des Steinbaukastens benannt. Und dies in einem Zusammenhang, wo bereits andere Baukästen empfohlen werden und gar schon ein Metallbaukasten erwähnt wird.


2. Der Baukasten.
Der Beschäftigungstrieb äußert sich bei unseren Kleinen zuerst im Aufbauen und Zerstören, und deshalb ist gerade der Baukasten ein geeignetes Beschäftigungsmittel für Knaben und Mädchen in den ersten Lebensjahren. Die einfachste Form ist der Holzbaukasten (erfunden von Lavater) mit glatten, starken, viereckigen Holzklötzchen aus Eiche oder Buche, die auf die verschiedenste Weise aufgestellt, umgeworfen und wieder aufgebaut werden und dann ein Haus, eine Brücke, ein Tor usw. zeigen. Aus der großen Zahl von Baukasten sei der "Münchner Kindl-Baukasten" erwähnt mit farbigen, bemalten und abwaschbaren Bauklötzen erwähnt. Wird der Knabe grösser, so verzichtet er auf Holzklötze, er will Steine zum Bauen haben, einen Steinbaukasten, dessen Erfinder Georgens ist. Die berühmtesten dieser Steinbaukasten sind "Richters Anker-Steinbaukasten", ein belehrendes und erzieherisches Spielmittel sowohl für größere Kinder, als auch noch Erwachsenen eine ebenso angenehme wie fesselnde Unterhaltung gewährend. Das Gleiche ist der Fall mit "Dorst's Kunst-Baukasten", der sogar als Lehrmittel empfohlen werden kann.
Ein Spiel, welches durch die vielseitige Verwendung seiner Teile die Knaben zu immer neuer Betätigung ihrer Phantasie anregt und sie die Bauten des Hochbau- Eisenbahn- und Maschineningenieurs fast naturgetreu im Kleinen nachbilden lässt, ist "Walthers Ingenieur Bauspiel".



Quelle: Deutschlands Spielende Jugend, F. A. L. Jacob, Martin Gerste, 5. Auflage, 1911, Leipzig, Verlag von Eduard Kummer


Beigefügt ist die Zeichnung, die wir schon von 1882 kennen, mit dem kleinen Unterschied, dass es wie im Buch von 1909 in der Bildunterschrift jetzt "Steinbaukasten" und nicht "Georgens Baukasten" heißt.

Danach gerät diese Episode aus Georgens Leben in Vergessenheit.



Um
1900
/
1924



Wohl zwischen 1900 und 1920 entstand bei dem bekannten Hersteller von Holzbaukästen S. F. Fischer noch einmal ein "Orbis Laboris" Baukasten mit einfachen Bausteinen in klassischer Fröbelart. Ob dies eine letzte Reminiszenz an den ursprünglichen Kasten von Georgens war? Weder Anlass noch genauer Zeitpunkt dieser Auflage ist bekannt. Aus der Objektbeschreibung des Nürnberger Spielzeugmuseums:


Holzbaukasten: Orbis Laboris
Hersteller: Fischer, Samuel Friedrich
Marke: Monogramm S F F + Sägeblatt (Zeichen) + Winkel (Zeichen) + Zirkel (Zeichen) + Hobel (Zeichen) & Made in Germany
Herstellungsort: Oberseiffenbach
Datierung: 1900 (um) / 1924 (um)
Beschreibung: 1 Holzbaukasten "Orbis laboris - Das Bauen aus dem Kindergarten" mit quader-, würfel- und walzenförmigen Bauklötzen, Tür- und Fensterbogen mit aufgedruckten Mauerfugen. Im originalen Holzkasten mit Schiebedeckel.
Material: Holz & Papier
Technik: gesägt & gedrechselt & geschnitzt & gesteckt & geleimt & gedruckt
(Chromolithographie) & gebeizt
Masse: 24 x 33 x 8 cm



Steine in der sichtbaren Lage: 60 Stück (von der Höhe her könnte er zweilagig sein). Nach Kastengröße und Inhalt zu urteilen, ist es ein für Holzwürfel klassisches 3 cm Kaliber.


Quelle: Onlineauktion vom 17.10.2020 (Bild 1 u. 2)




Quelle: Nürnberger Spielzeugmuseum Lydia Bayer (Bild 3)




1930

Mit der 1930 erschienenen Autobiographie "Die Lilienthals" von Anna Lilienthal und Gustav Lilienthal wird die Sichtweise von Gustav Lilienthal als betrogener Erfinder des Gesamtsystems (Anker-)Steinbaukasten festgelegt. In ihr wird Georgens Baukasten nicht erwähnt ebenso wie die genaueren Geschäftsbeziehungen zu Georgens und Richter, die Rede ist nach George Hardy nur von "miserablen Kinderspielzeug", weshalb er sich entschloss, "zur ästhetischen Erziehung der Kinder einen Baukasten zu entwerfen". Jeder halt, wie er sich 50 Jahre nach den Ereignissen erinnern kann oder will.


Quelle: Richters Steinbaukasten, George Hardy





Georgens , ein wissenschaftlich gebildeter Pädagoge mit reformatorischem Sinn auf dem Gebiete der weiblichen Ausbildung und der Kindererziehung , hatte das Talent des jungen Gustav Lilienthal für seine Pläne gewonnen. Er und seine Frau J. Gayette-Georgens gaben unter produktiver Mitarbeit Lilienthals „Die Schulen der weiblichen Handarbeit“ (12 Hefte, 1877 bis 1886), „Jugendspiel und Arbeit“, das Sternbilderbuch und noch anderes Anregende ...
Entstanden ist dieser Baukasten in gemeinsamer Beratung der Brüder Lilienthal über die Herstellung der Masse und der Steine. Was Formulierung, Zeichnung, Entwerfen der Bauvorlagen betrifft, so ist das alles von der Hand Gustavs ...
Aus Gefälligkeit nahm ein Spielwarengeschäft in der Leipziger Straße probeweise einen Kasten ins Schaufenster. – Da traten geschäftsgewandtere Leute, die rasch den Wert der Sache erkannten, mit dem enttäuschten Erfinder in ...
Dazwischen spielte man mit dem Steinbaukasten, harmlos, fröhlich, wie die Kinder, obgleich zur Zeit schon das Gespenst eines unseligen Prozesses, der um eben diesen Steinbaukasten gegen sie angestrengt wurde, über ihnen ..."



Quelle: Die Lilienthals, Anna und Gustav Lilienthal, Stuttgart, Cotta, 1930


Bemerkenswert ist, dass auch hier wie in dem Brautbrief von 1886en "Auf die von ihm vertretene Idee lasse ich nichts kommen" wieder die Idee Georgens zugeordnet ist "Dazu gehört die Idee eines Baukastens aus echtem Material, das heißt aus wirklichen Steinen.".

(Das unter produktiver Mitarbeit Lilienthals entstandene Sternbilder-Buch von Johann Daniel Georgens und Jeanne Marie von Gayette erschienen bei L. C. Zamarski stammt übrigens von 1858, eine Neuauflage konnte bislang nicht nachgewiesen werden.)
  Quelle: Lilienthal, Anna; Lilienthal, Gustav: Die Lilienthals, 1930, Stuttgart, Cotta
 

1936

1936 erschien bereits die nächste Biographie "Otto Lilienthal, der erste Flieger", geschrieben von Gerhard Halle, dem Schwiegersohn von Gustav.


Da die Großmutter der Lilienthals inzwischen gestorben und die Schwester als Lehrerin nach England gegangen war, zog Gustav zu dem jungen Paar und in der freien Zeit wurde natürlich fortwährend an der Verwirklichung neuer Gedanken geschafft. So entstand in gemeinsamer Arbeit der erste Steinbaukasten, der sich später als „Richters Anker-Steinbaukasten“ die ganze Welt eroberte. Der Grundgedanke zu dieser Erfindung ging von Gustav aus, der damals mit Jan Dan. Georgens, einem wissenschaftlich gebildeten Erzieher mit neuen Plänen auf dem Gebiete der weiblichen Ausbildung und der Kindererziehung, zusammenarbeitete. Georgens und seine Frau J. Gayette - Georgens gaben unter reger Mitarbeit Gustav Lilienthals „Die Schulen der weiblichen Handarbeit“ (12 Hefte, 1877 bis 1886), „Jugendspiel und Arbeit“, das Sternbilderbuch und noch anderes Anregende auf diesem Gebiete heraus.

Dabei tauchte, angesichts der mangelhaften Kinderspielzeuge, bei dem Architekten der Plan eines Baukastens aus echtem Material, d.h. aus wirklichen Steinen auf. Dieses Spielzeug sollte aus wenigen einfachen Grundformen bestehen, welche in mannigfaltiger Art gestellt werden konnten und somit der Vorstellungsgabe und dem Betätigungsdrang des Kindes immer neue Anregungen boten.

Kaum waren diese Gedanken aufgetaucht, so wurden sie auch schon in der Zeitschrift ausgesprochen und die Lösung der Aufgabe für die nächste Zeit in Aussicht gestellt. Die hauptsächlich aus Leim und Sand bestehende Mischung für die Steine hatten die Brüder ursprünglich aus einem alten technischen Handbuch übernommen. Doch stellte sich bald heraus, daß die Mischung in dieser Form nicht brauchbar war und noch verschiedenen Behandlungen unterwerfen mußte. Daneben ergaben sich noch mancherlei andere Schwierigkeiten auf dem Wege von dem ersten Gedanken bis zur verkaufsfähigen Ausführung. Da sich die Brüder aber zur Fertigstellung an eine bestimmte Frist gebunden hatten, gingen sie mit schwerem Herzen um den Ofen herum, in dem die kleinen Steine gebacken wurden, zum Kummer der Brüder aber sämtlich mit braunen häßlichen Flecken zum Vorschein kamen. Schließlich gelang es Ottos Scharfblick, die Ursache dieses Übelstandes in den Verbrennungsgasen des undichten Ofens zu entdecken und zu beseitigen. Nun sollte das „Geschäft“ beginnen. Zunächst war es ein Mißerfolg. Gustav zog damit von Laden zu Laden, aber niemand hatte „Meinung“ dafür. Nur ein Spielwarengeschäft in der Leipziger Straße nahm aus Gefälligkeit probeweise einen Kasten ins Schaufenster. Etwa 4000 M. ihrer geringen Ersparnisse hatten die Brüder bereits ausgegeben; die 800 M. für die Steinformen waren noch nicht bezahlt; so verkauften sie in ihrer Bedrängnis und Enttäuschung die ganze Idee an einen Herrn Richter, den der Verleger der oben genannten Zeitschrift inzwischen veranlaßt hatte, sich ebenfalls mit dieser dieser Frage zu beschäftigen. Unter Richters Namen wurde der Baukasten dann patentiert. Gustav Lilienthal, der die Bauvorlagen entworfen hatte, verpflichtete sich, die erste Einrichtung der Werkstätten in Rudolstadt zu beraten. Der Kaufvertrag enthielt außerdem ursprünglich die Verpflichtung für die Brüder, derartige Spielzeuge überhaupt nicht mehr selbst herzustellen. Nach mehrfachem Hin- und Herschreiben erreichten sie jedoch, daß an dessen Stelle die Bedingung trat, gleiche oder ähnliche Spielzeuge nicht selbst anzufertigen. Sie gingen nämlich schon mit einem anderen nach ihrer Meinung völlig neuartigen Gedanken auf diesem Gebiete um, den sie aber erst sechs Jahre später verwirklichten. Seine Gewinnhälfte von etwa 500 M. benutzte Gustav Lilienthal dazu, um dann (im Sommer 1880) zusammen mit seiner Schwester als Zwischendeckpassagier nach Australien auszuwandern.



Quelle, Halle, Gerhard: Otto Lilienthal: der erste Flieger, VDI - Verlag, 1936


Bemerkenswert sind einige entscheidene Änderungen im Text gegenüber der Autobiographie und dem Erinnerungsblatt von 1910. Der Georgens zugeordnete Satz "Dazu gehört die Idee eines Baukastens aus echtem Material, das heißt aus wirklichen Steinen." ist verschwunden, stattdessen wird Gustavs Rolle betont "Der Grundgedanke zu dieser Erfindung ging von Gustav aus", "Dabei tauchte, angesichts der mangelhaften Kinderspielzeuge, bei dem Architekten der Plan eines Baukastens aus echtem Material, d.h. aus wirklichen Steinen auf. Dieses Spielzeug sollte aus wenigen einfachen Grundformen bestehen, welche in mannigfaltiger Art gestellt werden konnten und somit der Vorstellungsgabe und dem Betätigungsdrang des Kindes immer neue Anregungen boten.". Auch die Episode aus dem Erinnerungsblatt von 1910 ist enthalten, nur die kaufmännische Verpflichtung ist entfallen und der Termindruck wird mit einer Vorveröffentlichung in der Zeitschrift - vermutlich Georgens Mutter- und Kindergarten-Buch - begründet.

Auf diese Biographie greifen seitdem alle Lilienthal-Forscher zurück, wenn es um die Episode "Steinbaukasten" geht, und verwenden sie in ihren eigenen Büchern.

  Quelle:
 

Resümee:

Einigen wir uns darauf, dass der Steinbaukasten viele Väter hat und dass der Anteil von Jan Daniel Georgens grösser war als bislang angenommen:

Friedrich Fröbel - Grundidee des Baukastens als Spielgabe, Steine im Großkaliber
Jan Daniel Georgens - Weiterentwicklung der Spielgabe zu einem architektonischen Baukasten, Auswahl der Basisformen und der drei Grundfarben der Steine, Verwendung einer Steinmasse anstelle von Holz
Gustav Lilienthal - Entdeckung einer besser geeigneten Kunststeinmasse in den Büchern. Entwicklung eines technischen Verfahrens zum Pressen und Trocknen von Steinen, Steine im Kleinkaliber
Friedrich Adolf Richter - Vertriebskonzept und das Ergänzungssystem

Jeder hat seinen Beitrag geleistet und ohne das Zusammenfließen der einzelnen Beiträge gäbe es heute keinen Anker-Steinbaukasten. Charakterlich waren wohl alle Beteiligten keine Idealmenschen und hatten auch ihre nicht so positiven Eigenschaften. Am meisten hat Gustav Lilienthal als Lichtgestalt des „betrogenen Erfinders“ durch die neuen Erkenntnisse an Ansehen verloren. Hier muss die bisherige Geschichtsschreibung korrigiert werden.